Mittwoch, 27. April 2016

Patrick Broome im Interview

Im Herbst letzten Jahres ging ein Ruck durch die Yogacommunity.

Patrick Broome tat, was jeder früher oder später auf seinem spirituellen Weg tun sollte: Er verließ seine spirituellen Lehrer David Life und Sharon Gannon – und somit auch die Jivamukti Community.

Warum er diesen wichtigen Schritt tat und welche Bedeutung spirituelle Lehrer auf einem Weg haben, erklärt er in diesem Interview.

Doris Iding: Du bist über Sharon Gannon und David Life zum Yoga gekommen. Hatten Sharon und David für dich von Anfang an einen Lehrerstatus?
Patrick Broome: Zum Yoga bin ich viel früher gekommen. Angefangen mit Yoga habe ich bei Sivananda. Das war mir an einem bestimmten Punkt zu langweilig, an einem anderen Punkt zu heilig. Deshalb habe ich mich aktiv umgeschaut nach anderen Lehrern, die mir Yoga zugänglich machen können. Das habe ich in Sharon und David gefunden. Im Sivanda Center lag das amerikanische YogaJournal aus. Ich fand sie sehr interessant und bin 1996 nach New York, um sie kennenzulernen.

Doris Iding: Was hat dich an beiden fasziniert?
Patrick Broome: Sie waren lebendig, kamen aus der Kunstszene und haben sehr laute Musik in ihren Klassen gespielt. Ihre Stunden kamen mir meistens vor wie eine Vorführung. Es ging einfach sehr lebendig bei ihnen zu. Ich habe mich von Anfang an mehr zu David hingezogen gefühlt als zu Sharon. Sie war mir immer ein bisschen zu anstrengend. An David hat mir seine ruhige und tiefe Ausstrahlung gefallen. An Sharon gefiel mir ihre Magie. Sie war so etwas wie eine gute Hexe. (lacht).

Doris Iding: Was hast Du von ihnen gelernt?
Patrick Broome: Ich hab das Sequencing von ihnen gelernt. Ich habe gelernt, Musik mit in den Unterricht zu integrieren. Ich hab von ihnen gelernt, dass man Schriften auch ganz anders interpretieren kann und wie man öffentlichkeitswirksam Yoga unterrichtet. Sharon hat mir gezeigt, wie man Magie in den Unterricht bringen kann und David wie man eine tiefe Stille erzeugen kann.

Doris Iding: Waren die beiden für dich eine Art Familienersatz?
Patrick Broome: Nein. Ich habe erlebt, dass besonders Sharon bei vielen den Wunsch nach Anerkennung durch die Mutter ausgelöst hat. Das war bei mir nie der Fall. Deswegen konnte ich zu ihr auch immer eine emotionale Distanz halten. David habe ich bewundert. Ich habe mir manchmal gewünscht, so zu sein wie er. Er war für mich lange ein positives Vorbild.

Doris Iding: Wann kam für dich der Moment, in dem Du gemerkt hast, jetzt ist es Zeit zu gehen?
Patrick Broome: Damit habe ich mich bestimmt 10 Jahre lang herumgeschlagen. Mir hat doch einiges, was hinter den Kulissen abgelaufen ist, nicht gefallen. In meinem Unterricht aber war ich frei. Konnte mich immer mehr mit den Menschen zu beschäftigen, als mit den Tierrechten. Das wurde auch immer akzeptiert. Mit der Methode habe ich eigentlich nie gehadert. Das Hinbiegen der Schriften, dass es doch wieder was mit Tierrechten zu tun hat, fand ich zu durchaus extrem. Aber es war vor allem der zwischenmenschliche Umgang, der für mich langfristig zum Bruch geführt hat. Für mich ist ein Guru ein guter Freund, nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger. Hier hat sich ein Mensch auf ein Podest gesetzt, um sich nicht mit den Niedrigkeiten der Menschlichkeit herumzuschlagen. Wenn ich mir ihre Biografie anschaue, ist es auch verständlich. Aber in intensiven Auseinandersetzungen haben ich immer wieder versucht, etwas zu bewirken und sie haben Kritik von sich abprallen lassen. Das hat mir dann irgendwann gereicht. Vielleicht war es auch ihre letzte Aufgabe als Lehrer, mir vor den Kopf zu stoßen, um mir zu zeigen, dass es Zeit ist zu gehen.

Doris Iding: Wie ist das aufgefasst worden?
Patrick Broome: Es wird nicht wirklich diskutiert und hinterfragt. Viel später, als sie schon längst wussten, dass ich gehe, haben sie eine Mail geschickt: „Patrick, du weißt, wir lieben dich und alles was du machst ist gut!“ Einfach Deckel drauf und gut ist. Das war sehr schmerzhaft für mich. Über die Jahre war es immer wieder schmerzhaft – und hier besonders die letzte Woche des letzten Teacher Trainings. Davon abgesehen habe ich gemerkt, wie sich diese schöne internationale Gemeinschaft langsam spaltet. Andere haben ähnlich gedacht und gefühlt wie ich. Auf der emotionalen Ebene habe ich eine Zeitlang auch sehr getrauert. Heute betrachte ich es sehr rational. Es war eine schöne Zeit. Es war gut, diese Erfahrung gemacht zu haben. Und es war auch gut, dass ich gegangen bin. Ich habe unheimlich viel gelernt.

Doris Iding: Und jetzt bist Du frei um Deinen eigenen Weg zu gehen!
Patrick Broome: Ja, genau! Im Zen sagt man immer, "imitiere deinen Lehrer zehn Jahre lang" und dann mach dich auf deinen eigenen Weg. Jetzt ist die Zeit gekommen.

Doris Iding: Wie siehst Du die Position eines Lehrers? Die Yogaszene hat sich in den letzten Jahren verändert und der ein oder andere ist vielleicht gar nicht darauf vorbereitet, plötzlich so angehimmelt zu werden.
Patrick Broome: Ganz viele Lehrer sind zum Entertainer mutiert oder stellen sich spirituell und intellektuell über die Schüler, sodass sie unberührbar werden. Meiner Ansicht nach fehlt hier das Handwerkszeug, um wirklich zu verstehen und zu zeigen, was passiert. Die Leute machen im Yoga so großartige und intensive Erfahrungen und geben uns Lehrern die Verantwortung dafür. Aber wir sind eigentlich nur Katalysatoren, die sie in den Prozess reinbringen.

Doris Iding: Wie gehst Du mit solchen Projektionen um?
Patrick Broome: Ich versuche, die Leute immer darauf aufmerksam zu machen, dass sie es selbst sind, die diese Erfahrung machen - und nicht ich. Ich versuche den Fokus von mir wegzubringen. Ich persönlich wünsche mir, dass es wieder mehr in Richtung Eigenverantwortung des Schülers geht. Es gibt ja einen Unterschied zwischen den Konsumenten und den Schülern. Den Schülern muss man das gar nicht erklären. Aber das sind höchstens 20 Prozent in einer Klasse. Die Anderen wollen gut unterhalten und bewegt werden. Solange ich jedoch diese drei oder vier speziellen Schüler in der Klasse finde, bin ich sehr zufrieden.

Doris Iding: Ich nehme wahr, dass tendenziell der Wunsch nach mehr Tiefe entsteht. Wie erlebst Du das?
Patrick Broome: Ja, das sehe ich genauso. Die ganze Yogawelle bringt auch eine schöne Tiefe mit. Ich erlebe viele verantwortungsvolle Lehrer hier in Deutschland, die tollen Unterricht machen und versuchen, die Schüler in die Eigenverantwortung und Selbstbeobachtung reinzubringen. Es geschieht viel Gutes. Ich habe das Gefühl, dass die Selbstdarsteller, die immer noch aus den USA zu uns rüberkommen, langsam das Interesse verlieren. Ich muss sagen, dass freut mich.

Doris Iding: Du sprichst einen wichtigen Punkt an: die Übertragung vom Schüler auf den Lehrer. Du hast im Laufe deiner Krebserkrankung mit Psychotherapeuten und Homöopathen gearbeitet und die Erkenntnisse, die Du dort gewonnen hast, auch in deine Arbeit integriert. Braucht es nicht immer die Befruchtung verschiedener Heilansätze, wie auch immer diese aussehen?
Patrick Broome: Ich habe mir immer schon psychotherapeutische Begleitung gesucht. Und ich sehe auch, dass andere Yogalehrer es auch tun. Das freut mich. Es reicht als Yogalehrer nicht, ab und zu einen Workshop von jemand anderen zu besuchen. Ich persönlich suche alle paar Wochen den Austausch mit einem richtig guten Therapeuten, der offen ist für die spirituelle Welt ist und seit 40/50 Jahren als Psychologe therapeutisch arbeitet.

Doris Iding: Was würdest du Yogalehrern raten?
Patrick Broome: Ich würde jedem Yogalehrer raten, sich mal in eine psychotherapeuthische Beratung zu begeben. Ich habe jemand, der aus einer spirituellen Perspektive arbeitet und den „das Sein“ interessiert. Als Lehrer bekommen wir auch viel ab von unseren Schülern. Das alles zu verarbeiten ist nicht einfach. Wir sehen ja, wie ein Yogalehrer nach dem anderen ausbrennt. Das ist nicht ohne. Deswegen war ich auch so dankbar über dein Buch „Die Angst, der Buddha und ich“. Da hat sich jemand mal getraut, über seine Ängste zu sprechen. Ich denke, dass viele ähnliche Ängste haben, sich aber nicht trauen, sich ihren Selbstzweifel und ihre Angst, ihre Hilflosigkeit einzugestehen. Um ein wirklich guter Lehrer zu sein, musst du dich und Deine Schwächen kennen. Da kann eine Supervision eben sehr helfen.

Doris Iding: Ja, auf mein Angstbuch bekomme ich immer noch sehr viele Leserbriefe. Ich bin erstaunt, dass es besonders viele Yogalehrer sind, die darauf reagieren. Ich bin zutiefst betroffen, wie sehr sich viele für ihre Ängste und Angsterkrankung verurteilen und sich dafür ablehnen. Es sind übrigens häufig Männer, die mir schreiben.
Patrick Broome: Männer leiden unter einem hohen Perfektionsanspruch, der beste Ehemann, der beste Papi, der beste Yogalehrer, der beste Veganer zu sein. „Mann“ muss gesund und sportlich sein. Ich hab das ja auch ganz oft erlebt, als ich offen über meine Krebserkrankung geredet habe. Man hat mir immer geraten, nicht darüber zu sprechen. „Das passt nicht zu Dir.“ hieß es. Aber ich bin doch ein Mensch! (lacht) Menschen werden krank und haben Krisen. Wenn wir das nicht teilen können, wie können wir dann erwarten, dass sich unser Schüler damit auseinandersetzen und sich dem stellen?!

Doris Iding: Dann steht auch das Lehrerbild im Zeichen des Wandels und braucht eine neue Definition.
Patrick Broome: Das stimmt. Als Pattabhi Jois und Iyengar gestorben sind, sind für mich die letzten „echten“ indischen Yoga-Gurus gestorben. Das waren für mich die letzten großen Lehrer. Ich finde es einfach komisch, wenn sich Westler weiße Turbane aufsetzen. Das brauchen wir nicht. Mark Whitwell hat mal gesagt: Ein Yogalehrer ist ein Freund, der den Weg einfach schon ein bisschen weiter gegangen ist. Er hilft Dir und unterstützt Dich. Dieses Bild finde ich sehr schön.

Doris Iding: Da bist Du mit Deinen Erfahrungen manchen Menschen bestimmt einige Schritte voraus. Vielleicht sind manche existenziellen Erfahrungen, die Du gemacht hast ja auch Teil deines Lehrauftrages gewesen.
Patrick Broome: Auf einige Erfahrungen hätte ich gerne verzichtet. Andererseits haben sie mich dahin gebracht, wo ich heute stehe. Die Auseinandersetzung mit dem Tod und der Trauer haben zu dem Wunsch geführt, intensiver zu leben.

Doris Iding: Kannst du den Yoga aktuell Lesern bitte noch einen Tipp geben, worauf sie bei der Auswahl eines Lehrers achten sollten.
Patrick Broome: Die Beziehung vom Schüler zum Lehrer steht und fällt durch den zwischenmenschlichen Kontakt. Deswegen kann mich auf meinem Weg auch jemand, der Fitnesstrainer ist und eine Yogaausbildung gemacht hat, begleiten. Eine spirituelle Erfahrung kannst du in der Asana unabhängig vom Lehrer machen. Es kommt vielleicht der Punkt, an dem man diese teilen möchte und geführt werden will. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass zur passenden Zeit die passenden Menschen in mein Leben gekommen sind. Man muss die Augen aufhalten. Man sollte immer darauf achten, ob einem Wertschätzung entgegen gebracht wird. Das ist ein guter Kompass.

Doris Iding: Hast Du selbst noch Sehnsucht nach einem „richtigen“ Lehrer?
Patrick Broome: Ich wünsche mir niemanden, der mir die Welt erklärt. Ich wünsche mir jemanden, der mich in die Meditation noch tiefer bringt. Da habe ich jetzt schon mit einem Zenlehrer gearbeitet und da bin ich gespannt, wo das noch hingeht. Ich verspüre gerade nicht den Wunsch nach einem neuen Yogalehrer. Ich treffe derzeit viele tolle Menschen, die nicht im herkömmlichen Sinne im Yoga arbeiten.

Doris Iding: Du hast ein neues Studio. Was wünschst Du dir hierfür?
Patrick Broome: Ich würde mir wünschen, dass die finanziellen Sorgen ausgeglättet werden. Dass das Studio sich selbst trägt, ohne dass ich mir Sorgen machen muss. Dass ich den Unterricht so machen kann, wie ich möchte ohne Sorgen, wievielt Schüler das jetzt grad gut finden. Viele fragen mich, warum ich überhaupt ein Studio habe? Ich mag es einfach, wenn Leute zusammen kommen und ich große Gruppen unterrichten kann. (lacht). Dabei fühle ich mich einfach so richtig wohl.

Doris Iding: Herzlichen Dank für das Interview!

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