Mittwoch, 27. Mai 2015

Wenn ein besonderer Mensch stirbt - und vom Glück, seinen Tod miterleben zu dürfen

Heute ist Paul gestorben. Paul war ein ganz besonderer Mensch. Er war ein Gentleman. Fein, leise und - offen für die Menschen, die ihm begegnet sind - und offen für Yoga.

Als Paul in meinen Yogakurs kam, war er 67 Jahre alt, Kettenraucher und steif wie ein Brett. Ich dachte mir damals, dass er wahrscheinlich nur einmal kommen würde und ich ihn danach nie mehr wieder im Unterricht sehen würde. Ich hatte mich getäuscht. Paul blieb mir treu. Ganze 10 Jahre. Zwar immer wieder mit Unterbrechungen, aber er kam immer wieder zu mir. Und noch eines tat er: Er übte täglich Yoga. 10 Minuten, mal 20 Minuten. Er mache die "8 Bewegungen der Wirbelsäule", die ich persönlich zum ersten Mal auf der DVD "Yoga mit Ralf Bauer" kennen- und lieben gelernt hatte.

Mit der Zeit wurde Paul beweglicher. Er hörte auf zu rauchen und übte weiterhin täglich. Vor einem halben Jahr rief er mich an und meinte, dass sein Arzt ihm gesagt hätte, dass er das Kreuz eines 50jährigen hätte. Dies hätte er wohl mir zu verdanken! Über diesen Anruf habe ich mich natürlich riesig gefreut.

Dann wurde Paul krank. In den letzten Monaten litt er sehr unter den Folgen einer Krebserkrankung. Heute morgen, als ich um 5 Uhr aufgewacht bin, erschien er mir vor meinem inneren Auge und bedankte sich für den Yogaunterricht bei mir. Als ich ihn heute im Krankenhaus besuchen wollte, hatte er ein paar Minuten vorher seinen letzten Atemzug getan. Ich wußte, dass ich ihn nicht mehr lebend antreffen würde. Aber ich wollte mich noch einmal persönlich von ihm verabschieden.

Seine Frau und seine Nichte, die ihn bei seinem Tod begleietet hatten, sagten, dass es ein großes Geschenk gewesen sei, bei ihm sein zu dürfen. Sanft sei er eingeschlafen. Fein und still wäre der Sterbeprozess gewesen.

Ich durfte teilhaben an dieser ganz besonderen Atmosphäre, die in diesem Minuten in dem Krankenhauszimmer herrschte. Es war so still dort. Es war so friedlich dort.

Paul wird mir fehlen. Er war ein ganz besonderer Mensch. Aber er wird weiterleben in meimen Yogaunterricht. Denn: in jedem Kurs erzähle ich bereits seit Monaten von Paul und davon, wie er langsam beweglicher wurde - und am Ende seines Lebens das Kreuz eines 50jährigen hatte. Dann lache ich immer und bin auch ein bisschen stolz, dass ich Paul so lange begleiten durfte. Waren wir beiden doch so unterschiedlich - und doch mochten wir uns so gerne!

Ich erzähle den Kursteilnehmern aber auch deswegen von Paul, weil ich in ihren Augen dann Hoffnung sehe, nämlich dass auch sie von der Yogapraxis profitieren werden, wenn sie dranbleiben. Und selbst wenn es jeden Tag nur 10 oder 15 Minuten sind.

Jetzt ist Paul schon in anderen Sphären - und mir bleibt nur noch eine Erinnerung an ihn. Jenen Mann, der so fein war und offen für alles - auch für Yoga.


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