Dienstag, 17. März 2020

Andreas Altmann, Autor des Buches "Gebrauchtsanleitung für das Leben" im Interview

Foto: ©Salomé Bouloudnine

Es ist eine schwierige Zeit. Aber es ist auch eine spannende Zeit. Es ist eine Zeit, sich wieder auf das Glück der kleinen Dinge zu konzentrieren. Vielleicht hilft uns dieses Innehalten als Gesellschaft und als Individuum auch zu erkennen, dass es immer nur ds kleine Glück gibt. Das Glück des Moments.

Ich habe zum Thema "Das Glück der kleinen Dinge" ein Interview mit Andreas Altmann gemacht. Ich liebe seine Bücher. Sie sind tiefsinnig und differenziert und Andreas schreibt Sätze, die zum Nachdenken anregen. Es sind Sätze, die das Lesen wieder zu dem machen, was es eigentlich sein sollte: Ein großes Geschenk, ein spannendes Abenteuer und eine Bereicherung durch Sätze, für die es sich zu leben lohnt.

Nutzen wir diese Zeit, um uns dem Glück der kleinen Dinge zuzuwenden und auf das zu schauen, was wirklich wesentlich ist.


Me (für Doris Iding, die einen Blog gegen Verblödung hat): Was braucht es in deinen Augen, dass wir nicht vollkommen verblöden?

Geist braucht es, Neugier, den unbedingten Wille, lernen zu müssen, ja, begreifen, dass Lernen ein sinnlicher Akt sein kann. Und Fleiß muss her, die zähe Absicht, seine Lebenszeit unter anderem mithilfe von Hirn bewältigen zu wollen. Nicht ranzig werden im Kopf. Robust werden, um sich den Tsunami-Wellen der Blödisierung entgegenzustemmen, die rastlos über uns hereinbrechen. Aus allen tausend Richtungen: befeuert von gewissen Medien, viralisiert von den unsozialen Medien (ich habe nie verstanden, was daran „sozial“ sein soll), mitverantwortet von der hottentottengleich nach Wachstum quäkenden Wirtschaft, nie zu vergessen die Religionen, die schon Jahrtausende lang im Geschäft der Infantilisierung zugange sind und nimmer zu unterschätzen das beharrliche Streben des großen Haufens, jedem selbstverantwortlichen Denken ochsenstur aus dem Weg zu gehen.


Welches Buch – oder zwei – haben deinen Horizont persönlich in letzter Zeit besonders geweitet? Es können auch Statements sein.

AA: interessiere mich ausschließlich für Sachbücher, nicht für Romane. Ich bin Reporter und wache jeden Morgen mit dem Gedanken auf, wie strohdumm ich noch immer bin, sprich, für erfundene Geschichten fehlt mir die Muse, ich will von den Zuständen der Wirklichkeit erfahren. Was durchaus über Romane auch funktioniert. Doch bei den non fiction books passiert es schneller. Meine Themen als Leser: was die Gesellschaft umtreibt. Wie die „Arbeit an der Menschwerdung“ (André Heller) vorantreiben. Wie sich auf Biegen und Brechen als Gentleman in der Welt zu bewegen. Wie geht Leichtigkeit? Und über Immanuel Kants Satz sinnieren: „Es gibt eine innere und eine anhängliche Schönheit.“

Okay, du willst ein paar Statements, hier die drei besten der letzten drei Wochen, die ersten beiden sind von anonymen Herrschaft*innen, schade, sie hätten zumindest eine innige Umarmung für so viel Esprit verdient. Das dritte ist von einer meiner Lieblingsmädchen. Sie gehört zu den Aufrührern, mit ihr hätte ich gern blinde Kuh gespielt.

Unbekannt: „Sarkasmus, Ironie, schwarzer Humor und schmutzige Gedanken, wie manche ihr Leben ohne das aushalten, bleibt mir ein Rätsel.“

Unbekannt: Jeder Mensch in unserem Leben ist entweder ein Fest, eine Strafe oder ein Geschenk.

Pippi Langstrumpf: „Der Sturm wird stärker, aber ich auch!“


Mein Blog heißt: Vom Glück der kleinen Dinge. Worin besteht für dich das Glück der kleinen Dinge?!

Aufwachen und den Duft einer Frau atmen. Ah, sorry, das ist ein großes Glück. Also hier die weniger bombastischen Sachen: genug Geld haben, damit das Leben „fluide“ bleibt, flüssig, möglichst selten irritiert von Nachtwächtern und anderen Wichtigtuern. Und, sagen wir: dasitzen in meiner Pariser Wohnung und schreiben und nichts kommt mir in die Quere. Uff, das ist schon wieder ziemlich big, so ein Glück. Hm, ich merke, dass mir die glückseligsten Zustände schneller einfallen als die nicht so seligen. Gut, hier was Kleines: die Fenster öffnen und die Vöglein zwitschern hören. So klein, dass es mich bisweilen zu Tränen rührt.


Wenn du drei Wünsche hättest, was würdest du dir wünschen?

Erstaunlich, darüber musste ich lange nachdenken. Denn das ist eine Märchenfrage, so fern unserer Realität. Es handelt sich ja offensichtlich um drei Wünsche, die unerfüllbar sind. Also, wenn ich „hätte“, dann „würde“ ich: mir eine Fernbedienung aus dem Briefkasten holen, mit deren Hilfe ich über zehntausend Kilometer hinweg Leute, die törichtes und/oder hassenswertes Zeug reden, auf „stumm“ stellen kann. Wie bei einem Fernseher. Ich drücke auf „mute“ und die Person hält das Maul. Bis ich wieder – das könnte Jahre dauern – auf „on“ presse. Dieser Wunsch, bilde ich mir ein, trüge entschieden zum Weltfrieden bei.

Nächste Sehnsucht: ein Eau de Toilette mit zauberischen Fähigkeiten, das heißt, ich erblicke eine sagenhafte Frau auf der Straße, tupfe blitzschnell ein Tröpfchen auf meinen Hals, und ab diesen Augenblick weiß die Schöne, dass sie den Verstand verliert, wenn sie mich nicht umgehend kennenlernt. Haha.

Zuletzt: eine mir von Staats wegen überbrachte Erlaubnis, ab sofort dem brasilianischen Eso-Esel Paulo Coelho jede weitere schriftliche Äußerung zu untersagen. Bei Nichtbefolgen muss P. C. alle Schlagertexte von Helene Fischer ins Portugiesische übersetzen und damit auf Tournee gehen.

Ich sehe gerade, dass auch dieser Traum, mein dritter, dem Wohl der Menschheit dienen würde. Weniger Schwachsinn auf Erden, wenn das nicht den Glücksquotienten hienieden nach oben treibt, was dann?

PS: Klar, ich hätte mir wünschen sollen – wäre ich nur moralisch integer wie meine 7.5 Milliarden Mitmenschen –, dass alle Hungerleider sich satt essen können, dass ab nächstes Weihnachten kein Krieg mehr umgeht, dsss nie mehr ein Erdbeben in Albanien Schrecken verbreitet, ja, dass alle Frauen an die Macht kommen, alle Zuhälter kastriert werden, der dicke Harvey W. bald nach Sibirien deportiert wird und endlich eine Kugel in Trumps Kopf landet. Aber mir fehlt schon lange die Kraft, als notorischer Empörer aufzutreten. Mein Held heißt noch immer Till Ulenspiegel, der gern den Maßlosen aufs Haupt spuckte und ihnen ab und zu ans Schienbein pinkelte. Und dabei stets darauf achtete, leicht und heiter zu bleiben.












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