Montag, 3. Oktober 2016

Gehirn und Trauma - Wie Trauma wirken und wie Du sie auflösen kannst

Ich  freue mich jetzt schon sehr auf mein Yoga & Trauma Seminar vom 5. - 6. November 2016 im AIRYOGA, München.

Die Vorbereitung dazu läuft und da das Gehirn bei der Entstehung und Verarbeitung von Trauma eine wichtige Rolle spielt, möchte ich hier einen kurzen Einblick geben, was genau das bedeutet. Wenn Du mehr dazu wissen willst, würde ich mich sehr freuen, Dich beim Seminar zu sehen.
 
Gehirn und Trauma

Gefühle von Entsetzen und Isolation stehen im Zentrum eines jeden Traumas und verändern buchstäblich Gehirn und Körper. Warum Betroffene noch lange nach einer traumatischer Erfahrung
Gefahr meldet, erfährst du hier.

Die Traumaforschung erschließt derzeit ein vollkommen neues Verständnis der Ursachen und Folgen von Traumata. Eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen spielt dabei unser Gehirn, weil es dafür da ist, unser Überleben zu sichern, egal wie schwierig die äußeren Bedingungen sind. Alles andere ist zweitrangig. Zu wissen, wie schnell unser Gehirn auf äußere Sinneseindrücke reagiert, ist hilfreich für das Verständnis von Traumata und eine Heilung von traumatischen Erfahrungen.

Folgenden Gehirnstrukturen spielen für das menschliche Überleben und die Verarbeitung einer traumatischen Erfahrung eine zentrale Rolle:

Das Reptiliengehirn (Befindet sich im Hirnstamm) wird schon vor der Geburt funktionsfähig, da es grundlegenden lebenserhaltenden Funktionen organisiert: essen, schlafen, wachen, weinen, atmen; Hunger, Schmerz zu empfinden; den Körper durch Urinieren und defäkieren von Giftstoffen befreien. Hirnstamm und Hypothalamus (der unmittelbar über dem Hirnstamm liegt) regulieren das Energieniveau des Körpers und sorgen für eine innere Stabilität der wichtigen lebenserhaltenden Systeme. Es reagiert das ganze Leben hindurch sehr stark auf Gefahren.

Das Limbisches System entwickelt sich größtenteils erst nach der Geburt und organisiert sich in den ersten sechs Lebensjahren grundlegend, danach nutzungsabhängig weiter. Es ist die Geburtsstätte und Sitz der Emotionen und beurteilt, was angenehm und beängstigend ist. Es entscheidet, was im Interesse des Überlebens wichtig oder unwichtig ist und darüber, wie wir uns in unseren sozialen Netzwerken verhalten. Im Hippocampus des Limbischen Systems werden subjektiv alle aktuellen Erfahrungen mit abgespeicherten Erinnerungen abgeglichen und extrem schnell geprüft, ob die früheren Erfahrungen angenehm, unangenehm, von Vorteil waren und wie wir auf Grund dieser Überprüfung reagieren sollen. Ein Trauma kann seine Funktionsfähigkeit während des ganzen Lebens stark beeinflussen.

Der Präfrontalkortex entwickelt sich zuletzt. Hier findet die Empfindung von Zeit und Kontext statt, Hemmung unangebrachter Handlungen, empathisches Verstehen. Es ist für unser Denken, Planen, Wollen, sprich unsere rationalen Handlungen. zuständig. Auch er wird von traumatischen Erlebnissen beeinflusst. Das kann dazu führen, dass er nicht mehr in der Lage ist, unwichtige Informationen auszufiltern und im Falle einer Gefahr funktionsunfähig zu werden.
Zusammen bilden Reptiliengehirn und limbisches System das emotionale Gehirn. Es bildet das Zentrum für des Zentralen Nervensystems und sorgt für unser Wohl. Besteht eine Gefahr oder eine besondere Chance, zum Beispiel einen vielversprechenden potentiellen Partner, schüttet es bestimmte Hormone aus, um uns darauf aufmerksam zu machen. Die daraus resultierenden körperlichen Empfindungen führen dazu, dass wir uns möglicherweise nicht mehr auf das konzentrieren können, was wir gerade tun und möglicherweise anders handeln, als ursprünglich geplant. So subtil diese Emotionen auch sein mögen, sie beeinflussen die großen und kleinen Entscheidungen in unserem Leben: was wir essen, mit wem wir schlafen, welche Musik wir hören, welche Yogarichtung wir einschlagen etc.

Sensorische Informationen über Vorgänge im Außen gelangen über unsere Sinne in den Körper und laufen im Thalamus zusammen, einem Teil des limbischen Systems, der alle Eindrücke zu einer subjektiven Sicht auf das Leben formiert – einem der grundlegenden Kleshas, die im Yogasutra als größtes Hindernis auf dem Weg zum inneren Frieden dargestellt werden. Die damit einhergehenden Empfindungen gehen dann in zwei Richtungen: einerseits zur Amygdala, dem Mandelkern, der im limbischen Gehirn liegt und andererseits hinauf in den Frontalkortex. Ein überwältigendes bedrohliches Erlebnis gelangt einige Millisekunden schneller in die Amygdala als in den Frontalkortex. Wittert die Amygdala Gefahr, sendet sie ein Signal an den Hypothalamus und den Hirnstamm, um Stresshormone auszuschütten, um uns auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vorzubereiten. Ist die Gefahr vorbei, kehrt der Körper wieder in seinen normalen Zustand zurück. Ist die Erholungsfähigkeit jedoch durch eine traumatische Erfahrung gestört, verbleibt der Körper in einer für die Selbstverteidigung erforderlichen Verfassung, mit dem Gefühl ständiger Erregung.

Wurde ein Traumata nicht geheilt, wird selbst eine harmlose Situation als gefährlich eingestuft und es kann zu schmerzhaften Missverständnissen in privaten oder beruflichen Beziehungen führen. Wutausbrüche, Beziehungsabbruch oder Panikattacken, aber auch Systemabschaltungen können die Folge sein.

Durch ein Trauma verändert sich die Balance zwischen emotionalem und rationalem Gehirn so radikal, dass es schwer ist, die eigenen Emotionen und Impulse unter Kontrolle zu halten. Allerdings ist ein effektiver Umgang mit Stress nur dann möglich, wenn die beiden in einer Balance sind. Dies ist auf zweierlei Weise möglich: Wir können lernen, sie von oben (top-down) oder von unten (bottom–up) zu regulieren. Die Top-Down-Regulation stärkt die Fähigkeit, Körperempfindungen zu beobachten und zu lernen, sich um die alltäglichen körperlichen Bedürfnisse zu kümmern, indem man sich um genügend Schlaf, Gutes essen, gute Beziehungen, etc. kümmert. Jene Erfahrungen, die Menschen, die besonders in frühen Jahren traumatisiert wurden, nicht gemacht haben. Besonders wirksam sind hier die Achtsamkeitsmeditation und Yoga. Sie erschließen den Zugang zum limbischen System. Bei der Bottom-up-Regulation wir das autonome Nervensystem modifiziert. Wir können hier mit Hilfe von Atmung, Bewegung und Berührung in Kontakt treten. Die Atmung ist eine der wenigen Körperfunktionen, die sowohl bewusst gesteuert werden als auch autonom funktionieren kann.

Die Beziehung zwischen rationalem und emotionalem Gehirn mit einem mehr oder weniger kompetenten Reiter und seinem widerspenstigem Pferd. Ist das Wetter gut und verläuft der Weg eben, hat der Reiter das Gefühl, die Situation sehr gut unter Kontrolle zu halten. Doch bei plötzlichen unerwarteten Geräuschen oder Gefahren, geht sein Pferd durch. Ähnlich reagieren traumatisieren Menschen, was das Leben für sie selbst und auch für ihr Umfeld extrem anstrengend werden lässt. Selbst dann, wenn viele Psychologen versuchen, ihre traumatisierten Patienten in vielen Therapiestunden durch Gespräche zu heilen, so ist dies nur bedingt möglich. Unser Verstand kann noch so einsichtig ein, wenn die Alarmglocke des emotionalen Gehirns immer wieder Gefahr signalisiert, bringt keine noch so tiefe Einsicht sie zum Verstummen. TraumaSensiblesYoga (TSY) kann bei der Heilung von Traumata flankierend sehr wirksam sein. Es hilft dabei, dass wir mit Hilfe des Inneren Beobachters Zugang zum emotionalen Gehirn erlangen können, indem wir den medialen Präfrontalkortex aktivieren, jeden Teil des Gehirns, der registriert, was in uns vor sich geht und uns so ermöglicht zu fühlen, was wir fühlen. Der größte Teil unseres bewussten Gehirns richtet den Blick normalerweise auf das Außen, und darauf, wie wir mit anderen Menschen möglich gut zurechtzukommen. Wir können aber das, was wir fühlen, nur verändern, indem wir uns unseres inneren Erlebens bewusst werden und lernen, und mit dem, was in uns vor sich geht, vertraut zu machen. Dies wird möglich, wenn man sich mit viel Selbstmitgefühl, Geduld und Achtsamkeit auf einen umfassenden Prozess einlässt und regelmäßig praktiziert. Es unterstützt, körperliche Übergriffe, psychischen Missbrauch, die selbst Jahrzehnte zurückliegen und noch wie offene Wunden wirken, zu heilen und zu lernen, mit den Narben zu leben und den mitfühlenden Inneren Beobachter so präsent zu installieren, dass nicht mehr hinter jedem Schatten einen Dämon vermutet wird, der einen töten will. 

Bei Rückfragen stehe ich gerne persönlich zur Verfügung!

Info und Anmeldung

Zum Weiterlesen: Bessel van der Kolk: Verkörperter Schrecken. Traumaspuren im Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann. G. Probst Verlag, 2015

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