Dienstag, 25. August 2015

Mit Max Strom das Herz öffnen

Vom 3. - 6. September ist Max wieder zu Gast im AIRYOGA München.

Ich freue mich jetzt schon auf ihn. Als Yogalehrer hat er mir sehr gut gefallen und mich durch Wissen und Tiefgang überzeugt. Aus diesem Grund möchte ich ihn gerne etwas bekannter machen!

Hier ist ein Interview, dass ich mal mit ihm geführt habe!

Als Max Strom vor fast zwei Jahrzehnten über Hatha Yoga stolperte, wusste er bereits sehr gut, was spirituelle Praxis bedeutet, aber zum ersten Mal in seinem Leben begegnete ihm ein System, dass Körper und Geist auf so einzigartige Weise miteinander verbindet. Seine erste tiefe Erfahrung mit Hatha Yoga ereignete sich in einem Yogazentrum im kalifornischen Santa Monica. Es war sein fünfunddreißigster Geburtstag, und eine Freundin hatte ihm die Teilnahme an einem Kurs geschenkt. Aus Versehen hatte sie ihn in einen Fortgeschrittenenkurs mitgenommen, in dem er sich abmühte, schwitzte und sich fast vor Erschöpfung übergab - und am Ende in einen tiefen Schlaf sank. Das, was für ihn aber eine transformierende Wirkung hatte, geschah später: Max befand sich in einem Zustand milder Euphorie, der fast zwei Tage lang anhielt. Auf seiner Geburtstagsparty am Abend machten seine Freunde, die nichts von dem Yogakurs wussten, Bemerkungen darüber, dass er eine andere Energie ausstrahlte. In der folgenden Nacht hatte Max lebhafte Träume, und am Morgen erwachte er in einer Körperhaltung, in der er seit meiner Kindheit nicht mehr geschlafen hatte. Körperlich fühlte er sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Etwas hatte sich verändert. Aber nicht nur für seinem Körper. Drei Tage später ging er wieder in den Kurs mit dem Wunsch nach mehr. Yoga wurde schnell für eine Quelle großer Erleichterung für seinen Körper, der sich zu öffnen und zu heilen begann. Begeistert praktizierte er bald vier Tage in der Woche. Doch er war verblüfft, wie wenig biegsam im Vergleich zu anderen sein Körper blieb, obwohl er so viel mehr praktizierte. Er war so steif, dass es zuweilen peinlich war, und keine Stellung fiel ihm leicht. Aber bald wurde ihm eine wundervolle Offenbarung zuteil: Er war die steifste Person im Kurs und würde es vielleicht immer bleiben. Zum ersten Mal in seinem Leben war das okay. Er beschloss, sich die Erlaubnis zu geben, nicht der Beste sein zu müssen oder mit den anderen zu konkurrieren, wie es ihm im Sport antrainiert worden war: „Konkurriere, bis du gewinnst, oder stirb!“ Er wusste, dass er dieses Mal unmöglich gewinnen konnte und hier nie überragend sein würde, aber er liebte es trotzdem. Er gab sich also die Erlaubnis, der steifste Typ in der hintersten Reihe zu sein. Der Typ, der sich sehr anstrengte, aber irgendwie in seinem Bemühen peinlich anzusehen war. Es war ihm einfach egal geworden, und das fühlte sich so gut an. Dieses Zulassen war so befreiend, dass es auf seine Praxis - ohne dass er es beabsichtigte - eine zehnfach beschleunigende Wirkung hatte. Dadurch, dass er sich erlaubte, ein Anfänger zu sein, war der Druck weg.

Nachdem Max einen Monat praktiziert hatte, fügte sich alles zusammen, und er verstand Yoga als integralen Bestandteil einer persönlichen Transformation. Das machte seine Praxis frei von Konkurrenzdenken und sogar freudvoll: Er hatte das Gefühl, dass ganze Panzerplatten von ihm abfielen. In ihm entstand ein neues Gefühl von körperlicher Freiheit. Seine Gelenke öffneten sich und wurden beweglicher, und seine Muskeln dehnten sich, aber er öffnete auch seine stagnierenden Energiekanäle und öffnete täglich sein Herzzentrum, dies vor allem durch die Atemübung. Er schrieb seine rasche Transformation der Tatsache zu, dass er schon gelernt hatte, wie man gut atmet. Dann kamen die Dinge wirklich in Bewegung. Durch die Atempraxis fühlte er tatsächlich die Art und Weise, in der er dachte. Die Art und Weise, in der sein Geist arbeitete, und die Entscheidungen, die er traf, veränderten sich. Durch Yoga gingen Max Strom die Augen auf, und es wurde zu der Verkörperung all seiner spirituellen und philosophischen Studien und Erfahrungen. Sein Herz erfuhr, was Freude ist, und er spürte, wie Seele und Geist von innen heraus heilen. Seit dieser ersten Yogastunde entwickelt sich – nach Max Worten - sein Leben immer weiter dem Licht entgegen, wie eine Pflanze, die zur Sonne hin wächst.

Verantwortung übernehmen
Doris Iding: Als erstes möchte ich Dich bitten, Dich selbst dem Leser in ein paar Sätzen vorzustellen.
Max Strom: Ich habe mich immer als Yoga-Lehrer beschrieben, aber ich habe im Verlauf der Jahre gemerkt, dass viele Menschen eine voreingenommene Idee davon haben, was das bedeutet. Die ist normalerweise nämlich falsch. (lacht). Deswegen verwende ich diese Bezeichnung nicht mehr. Die meisten Leute denken, dass ich als Yoga-Lehrer ein Stretch-Coach bin und das ist nicht, was ich bin. Natürlich ist dehnen und stretchen ein großer Teil davon. Wenn mich Leute heute fragen, was ich bin, dann sage ich: „Ich helfe den Menschen, sich daran zu erinnern, wer sie sind und wozu sie fähig sind. Ich gebe ihnen Werkzeuge an die Hand, die ihnen helfen, mehr Freude und Gesundheit in ihren Leben zu finden.
Doris Iding: Wenn ich dich jetzt frage: „Wer bist Du?“, wie würdest du diese Frage beantworten?
Max Strom: Ich bin Max. Ich bin ein Mensch und ich versuche meinen Weg durch dieses Leben zu finden, um mehr Bewusstsein zu finden. Ich öffne mein Herz für die Menschen und die Natur. Ich hoffe, den Tod über den Körper hinaus zu überleben. Ich bin ein Mensch, der den Luxus zu schätzen weiß, dass ich lernen, reifen und Fragen stellen kann, um eine Person mit einem offenen Herz zu werden. Sprich, eine Person, die vergeben kann.
Doris Iding: Habe ich es richtig verstanden, dass du den Tod über den Körper überleben möchtest?
Max Strom: Ja, viele Menschen sagen, dass das möglich ist.
Doris Iding: Was genau bedeutet es für dich?
Max Strom: Ich hatte verschiedene Erlebnisse in meinem Leben – dazu gehören auch einige Nahtoderfahrungen -, die mich davon überzeugt haben, dass es nicht nur unser Körper ist, der ausmacht, wer wir sind. Deswegen ist es meiner Meinung nach möglich, dass wir über den Tod unseres Körpers weiter leben. Wenn das passiert ist, können viele Sachen passieren. Es gibt die Reinkarnation, ob wir wollen oder nicht. In dem tibetanischen Buch des Todes steht, dass wir innerhalb von 49 Tagen in einen anderen Körper wiedergeboren werden. Das geht bereits seit Tausenden von Jahren. Diese Erfahrungen haben auch dazu geführt, dass ich mich intensiv mit der Yogaphilosophie beschäftigt habe, die diesen Gedanken bestätigt. Ja, ich denke wirklich, dass wir den Körper überleben können. Ich versuche, einfach mit einem offenen Bewusstsein und offenen Herzen durchs Leben zu gehen und weiter zu lernen.
Doris Iding: Du hast gestern in deinem Workshop gesagt, dass du versuchst dein Herz weiter und weiter zu öffnen. Wann hast du damit angefangen oder wann hast du gemerkt, dass es funktioniert und ein Teil deiner Reise ist?
Max Strom: Das ist eine sehr gute Frage, weil es so viele verschiedene Aspekte gibt, wenn man die Öffnung des Herzens anschaut. Mit 15 habe ich angefangen Philosophie und Religion zu studieren. Ein Jahr später habe ich mit Meditation angefangen und noch ein Jahr später Chi Gong, da war ich 18 Jahre alt. Dann bin ich zum Yoga gekommen. Das war für mich eine intensive Erfahrung. Für mich wurde die Atmung dann besonders wichtig, sodass ich mit großer Aufmerksamkeit geatmet habe. Es gab Tage, wo ich am Ende der Praxis gemerkt habe, dass ich mich total öffne. Es war so, als würde eine Rüstung von meinem Körper abfallen. Das war gut so! Euch heute merke ich immer und immer wieder, wie gut Yoga mir tut. Ich merke es auch in meinem Verhalten. Ich treffe bessere Entscheidungen und ich bin ein besserer Freund und einfach eine glücklichere Person. Ich habe für mich erkannt, dass das der Fokus auf das Herz ein Aspekt ist, der in vielen Yogastunden fehlt. Als ich anfing, mich mehr und mehr auf meine Brust zu konzentrieren, hatte ich das Gefühl, als würde ich aus dem Gefängnis meines eigenen Körpers befreit. Dadurch wurde nicht ungeschehen, was ich erlebt habe, aber diese Praxis hat lediglich alles zusammen gebracht.
Doris Iding: Geht diese Öffnung deines Herzens immer noch voran?
Max Strom: Natürlich.
Doris Iding: Kannst du fühlen, dass da manchmal neue Türen sind, die geöffnet werden wollen und kannst du erklären, wie du sie öffnest? Zuerst aber wie du feststellst, dass da immer noch Türen geschlossen sind…..
Max Strom: Das ist einfach. Manchmal werde ich noch wütend und tue mir selber Leid. Manchmal irritieren mich Menschen oder ich irritiere mich selbst. Das alles sind Zeichen dafür, dass ich nicht in Frieden mit mir bin, denn solange ich so reagiere, weiß ich, dass es noch Aspekte gibt, an denen ich arbeiten muss. Das kann aber leicht passieren, dass wir das Gefühl haben, schon alles erledigt zu haben. (lacht).
Doris Iding: Wie sieht es bei deinen Yogaschülern aus?
Max Strom: Mir begegnen in meinen Kursen immer wieder Leute, die haben eine Schwäche - spirituelle Arroganz -. Sie glauben, alles zu wissen und zu denken, dass alles, was sie sagen, richtig ist. Ich glaube, stattdessen brauchen wir eine große Dosis an Bescheidenheit, wenn wir uns wirklich erfahren möchten. Ein sehr wichtiger Teil auf dem Yogaweg ist die eigene psychische Entwicklung. Aber daran mangelt es leider bei vielen, denn genau deshalb sehen wir so viel schlechtes Verhalten bei den meisten Yoga-Lehrern. Viele Lehrer hören auf, an sich zu arbeiten, wenn sie erst einmal berühmt sind. Alle behandeln sie wie Stars, dabei sind Yoga- Lehrer in erster Linie Diener und keine Stars. Wenn wir bekannt sind, heißt es auch nicht, dass wir dann „fertig“ sind. Wir können über unsere Erfahrungen sprechen, aber sind gleichzeitig aufgefordert achtsam und wach für unsere Schwächen zu bleiben und müssen die blinden Flecken untersuchen, die sich dann durch unser Bekanntsein zeigen. Wir müssen lernen, dass sie ein Teil von uns sind, den wir selbst nicht sehen können – aber andere dafür schon! An diesem Prozess sind andere Menschen beteiligt. Egal, ob es ein Therapeut ist oder ein guter Freund, der uns dann sagt, dass wir sehr auf Anerkennung aus sind oder sehr reaktionär sind, nicht kritisiert werden wollen, wütend werden…. Wir sollten unseren Yogaweg als eine Art Selbststudium betrachten. Wir müssen herausfinden, was unsere Geschenke, unsere Stärken und unsere Schwächen sind. Wenn wir diese einmal kennen, können wir uns anstrengen und sie ändern. Ich selbst habe viel über mich durch meine Ehe gelernt. Meine Frau ist eine sehr weise Frau und sie hat mich auf Dinge aufmerksam gemacht, die ich bis dahin nicht realisiert hatte. Und als ich genauer hingeschaut habe, habe ich gesehen, dass sie Recht hatte. Wir brauchen uns gegenseitig als Lehrer, weil wir nie fertig werden!
Doris Iding: Denkst du, dass Yogaanfänger bereit sind, einen Blick auf sich selbst zu werfen?
Max Strom: Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass Anfänger in erster Linie am körperlichen Aspekt des Yoga interessiert sind. Die Menschen fühlen sich anders, sehen anders aus, sehen schöner aus, was auch immer. Aber nach einer Weile, wenn Du ein oder zwei Jahre Yoga machst, wird Yoga dich verändern. Du fühlst dich emotional besser. Dann realisieren viele Menschen, dass etwas  hinter der ganzen Praxis steckt. Dann wollen sie mehr darüber wissen. Als ich im Jahr 2006 das erste Mal in Peking ein Teacher-Training gegeben habe, waren die meisten nicht an dem interessiert, was ich gesagt habe. Sie wollten nur Asanas lernen. Von Atmung und von der Yoga-Philosophie wollten sie nichts hören. Aber im Jahr 2012 hatte sich die Situation bereits verändert. Mein Buch „Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle – die drei Säulen der Transformation“ war bereits in Manderin übersetzt und das Interesse daran war groß. Das Klima hat sich total geändert. Jetzt gerade habe ich in Istanbul gelehrt. Auch sie wussten gar nichts über Atmung und selbst in den Lehrer-Seminaren wurde nichts über das Atmen gelehrt. Aber ich weiß, dass sich das in ein paar Jahren ändern wird.
Manche Teilnehmer – selbst wenn sie schon lange Yoga machen - sind geschockt, wenn sie im Verlauf eines Wochenendseminars auf einmal wirklich Zugang zu ihren Gefühlen bekommen haben und diese dann wirklich verstanden haben. Ich lehre manchmal an Yoga-Konferenzen und ich bin immer einer von wenigen, die Atmung lehren. Auf einer Konferenz werden um die 300 Kurse angeboten und in nur zwei von ihnen geht es um Atmung. Fangen die Leute aber einmal an, sich damit zu beschäftigen, sind sie auch interessiert.
Ich spreche auch immer mehr über solche Themen, die über die Asanapraxis hinausgehen. Dazu zählt auch die bewusste Atmung, der Umgang mit Vergebung, die Praxis von Dankbarkeit und darüber, dass wir uns selbst viel mehr studieren müssen, um nicht weiterhin die gleichen Fehler zu machen, durch die wir uns selbst sabotieren und die Menschen, die wir lieben, wegstoßen. Oftmals machen wir genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen.
Doris Iding: Du selbst bist jetzt 57 Jahre alt. Hast du viele junge Schüler oder mehr in deinem Alter?
Max Strom: Mir ist aufgefallen, dass meine Schüler gemeinsam mit mir alt werden. Ich habe einige Schüler zwischen 20 Jahre und 40 Jahre, aber der Großteil ist zwischen 35 und 65. Es gibt definitiv tiefgründige junge Schüler, aber die meisten wissen noch nicht, wer sie sind und was sie wirklich wollen. Sie streben nur noch Freude und Aufregung. Das ist in Ordnung, so war ich auch.
Doris Iding: Es ist ein ganz natürlicher Prozess? Zuerst muss man herausfinden, was einen nicht erfüllt und dafür braucht man ein verrücktes Leben.
Max Strom: Solange man sich nicht selbst oder andere Menschen umbringt. Aber ganz im Ernst. Mir ist es schon wichtig, den Leuten einen sinnvollen Umgang mit der Zeit zu vermitteln. Darüber schreibe ich auch in meinem neuen Buch. Es geht um ein gutes Zeitmanagment. Viele Menschen haben Probleme damit, zwischen Leben und Unterhaltung zu differenzieren. Uns wird ununterbrochen Unterhaltung angeboten. Wir müssen nur unseren Laptop öffnen und können alles haben, was wir wollen. Der durchschnittliche Amerikaner schaut vier Stunden am Tag fern. Darin sind Videospiele und Zeit am Computer aber noch nicht mit einkalkuliert. Das ist kostbare Zeit. Sind wir wirklich sicher, dass wir diese so gebrauchen wollen? Wer wird sich auf seinem Sterbebett sagen: Hätte ich doch nur mehr Videospiele gespielt!! Oder: hätte ich doch nur mehr Reality TV geschaut!! Das passiert einfach nicht.
Doris Iding: Wenn Du selbst jetzt auf deinem Sterbebett liegen würdest und du zurückschaust und du überlegst, das und das hätte ich gern mehr gemacht. Gibt es da etwas?
Max Strom: Ich wünschte, ich hätte mehr Rücksicht auf meine Zähne genommen. (lacht) Ich scherze. Das ist ein berühmtes Zitat und gleichzeitig hätte ich tatsächlich gern mehr auf meine Zähne aufgepasst. Es gibt ein berühmtes Buch, das heißt: "Fünf Dinge, die Sterbende  am meisten bereuen. Einsichten, die Ihr Leben verändern werden". Das ist ein wichtiges Buch, geschrieben von einer Frau, die im Hospiz gearbeitet hat. Ich persönlich wünschte mir, ich wäre etwas kecker in meinen frühen Jahren gewesen. Ich war sehr schüchtern. Ich wünschte, ich hätte mehr Vertrauen in mich selbst und meine Fähigkeiten gehabt. Ich wünschte, ich hätte früher gelernt, wie man richtig Yoga macht. Gleichzeitig denke ich, dass ich keine Kontrolle darüber gehabt hätte.
Doris Iding: Angenommen, ich könnte Dir drei Wünsche erfüllen. Was würdest du Dir wünschen?
Max Strom: Ich hätte gerne 50 weitere Wünsche. (lacht)
Doris Iding: Here we go.
Max Strom: Ich würde mir wünschen, dass Betrug von dieser Welt verschwindet. Ich glaube das ist ein gefährlicher Aspekt, der in einem Menschen schlummert und sich überall zeigt – in der Religion und der Politik und überall. Ich würde wünschen, dass alle Menschen Übungen machen, um ihr Herz zu öffnen. Wenn das Herz einmal offen ist, können wir nie wieder gemein und grausam zu anderen Menschen sein oder einfach an ihnen vorbei laufen, wenn sie unsere Hilfe brauchen. Ich denke, allein mit der Erfüllung dieser beiden Wünsche wäre es viel friedlicher auf dieser Welt. Ich wünsche mir auch, dass die Menschen die Zeit mit ihrer Familie und mit sich selbst mehr wertschätzen würden und nicht glauben, dass man immer beschäftigt sein muss. Wenn es im Kopf immer laut ist, hören wir unsere Bedürfnisse nicht und bekommen nicht mit, was in unserem Bewusstsein passiert. Das Wort „bewusst“ mag ich übrigens sehr! Es bedeutet, dass du weißt, was richtig und falsch ist und darauf hörst und nicht darauf, was du gesagt bekommst und gelehrt wird. Viele Probleme auf dieser Welt sind keine technologischen Probleme, sondern ethische Probleme.
Doris Iding: Hast Du einen persönlichen Wunsch?
Dadurch, dass Yoga weltweit beliebter geworden ist und es immer mehr Menschen praktizieren, wird die Rolle eines Yoga-Lehrers gesellschaftlich immer wichtiger. Ich wünschte, mehr Yoga-Lehrer würden den Non-Sense stoppen, die derzeit in der Yoga-Szene passiert und zu Skandalen führt, die uns alle schlecht aussehen lassen. Einige Skandale, die in letzter Zeit passiert sind, sind einfach unglaublich! Ich würde uns als eine Kultur wünschen, erwachsen zu werden und zu reifen und mehr Verantwortung für unsere Position zu übernehmen. Wenn diese Skandale passieren, dann sind da zwei Teile. Ein berühmter Lehrer macht fünf Sachen, die seiner eigenen Ethik widerspricht. Der zweite Teil des Skandals ist, dass die Schüler so tun, als würde es nicht passieren. Es ist fast so, als wenn herauskommt, dass ein Stiefvater eine seiner Töchter belästigt und der Rest der Familie nicht darüber redet und tut als würde nichts passieren. Das ist so ähnlich und so unheimlich. Es lässt uns schlecht dastehen. Sogar die New York Times berichtet darüber, weil diese Skandale so groß sind. Sie betreffen nicht nur einzelne Länder, sondern die ganze Welt. Wann immer das passiert, betrifft das Tausende von Leuten, die alle Yoga ausprobieren. Das ist eine große Verantwortung. Ich würde mir wünschen, dass wir uns wie Erwachsene verhalten und Verantwortung zeigen.
Doris Iding:  Ich habe das Gefühl, dass es für viele Menschen es sehr schwer, Selbst-Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn man Yoga praktiziert. Das, was in Familiensystemen passiert, wiederholt sich oft auch in einem spirituellen System. Irgendjemand hat einmal gesagt: Solange du deinen spirituellen Lehrer wie deinen Vater behandelst, hat deine wirkliche spirituelle Praxis noch nicht angefangen. Solange wir nicht erwachsen werden oder erwachsen geworden sind, werden wir immer eine Projektion auf unseren Yoga-Lehrer legen. Egal ob wir Anfänger oder Fortgeschrittene auf dem Yogaweg sind. Aber ich weiß wirklich nicht, wie viele Menschen, die Yoga lehren oder praktizieren, wirklich bereit sind, erwachsen zu werden und sich mit ihren Schattenseiten beschäftigen möchten und einen Blick darauf zu werfen, wer sie wirklich bin. Sie machen ein bisschen Yoga, aber sobald sie einen Blick auf sich selbst werfen müssen, wollen sie das nicht mehr…..
Max Strom. Ja, gilt aber auch für Yogalehrer. Ich denke, dass vielleicht zehn Prozent aller Yoga-Lehrer wissen, was Yoga eigentlich bedeutet und was die Essenz von Yoga ist. Der Rest bleibt leider an der Oberfläche. Ich bin im Verlauf eines Jahres in 50 Städten unterwegs und treffe viele Menschen. Ich habe schon oft gehört, dass die Schüler sich beschweren, weil sie von einem berühmten Yogalehrer schlecht behandelt wurden. Dann sagen sie: „Ich möchte nie wieder was mit der Person zu tun haben, weil sie so unhöflich war!“ Vor kurzen hat sich ein Schüler bei mir beschwert, dass ein international berühmter Yogalehrer, dessen Retreat er besucht hat, nicht zu seinem Kurs gekommen ist, weil er ein Mädchen aufgerissen hat und lieber mit ihr in seinem Hotelzimmer geblieben ist, statt zum Kurs zu kommen.
Doris Iding: Es gehören immer zwei zu der Geschichte. Der Lehrer und der Schüler. Manchmal sehe ich in Yogastunden immer wieder Frauen, die den Yogalehrer anmachen und mit ihrer Körpersprache sagen:  „Nimm mich!“. Sie verhalten sich teilweise wie die Groopies. Dann wundert es mich manchmal nicht, dass die Yogalehrer, die noch jede Mengen Testosteron produzieren, schwach werden. Gerade als Anfänger haben wir die Tendenz, einen Yogalehrer auf ein sehr hohes Podest zu stellen und zu sagen: „Du bist der König des Yoga, du weißt alles!“. Das geht so aber nicht. Als Praktizierende – egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener - müssen wir auch Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Wenn so etwas hinterher auffliegt, wird immer der Lehrer als „der Böse“ vom Thron gestürzt. Aber keiner kritisiert das Verhalten der Frauen.
Max Strom: Das stimmt. Gleichzeitig aber trägt der Lehrer mehr Verantwortung. Wenn mich ein Anfänger fragt, nach welchen Kriterien er einen guten Lehrer suchen soll, sage ich immer: „1. Der Lehrer sollte niemals gemein sein oder sich selbst oder dich sexualisieren. 2. Der Lehrer sollte dich nie dazu bringen, irgendwas zu machen, das Schmerz verursacht. Das sind meines Erachtens die Grundlagen, die einen guten Lehrer auszeichnen. Ich habe zu diesem Thema einmal einen Vortrag gehalten. Daraufhin hat sich eine Frau gemeldet und gesagt, dass es doch zu der Yoga-Tradition gehört, dass die Lehrer streng sind und wenn er ein bisschen gemein ist, wäre das doch ok, oder? Jeder Lehrer ist für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Man kann nicht sagen: „Mein Lehrer hat es so gemacht, also schlag ich dich auch, oder schrei dich an und beleidige dich.“ Aber das passiert dauernd und das ist so traurig. Ich selbst war früher ein Rock-Sänger in Lederhosen. Deswegen weiß ich auch, was es heißt,  berühmt zu sein. Es gibt ein schönes Sprichtwort: „Berühmt zu sein, ist niemals ein Segen Gottes.“
Doris Iding: Gibt es noch einen Tipp, den Sie besonders Yogaanfängern mit auf den Weg geben möchten?
Max Strom: Heilen Sie den Körper. Ist der Körper mit neuer Energie und neuer Kraft erfüllt, können Sie auch in allen anderen Bereichen auf einer höheren Ebene funktionieren. Lernen Sie den Körper zu regieren, so dass der Körper nicht Sie regiert.
ZWEITENS: Bringen Sie den Geist zur Ruhe. Je stiller und klarer Ihr Geist ist, desto besser werden Ihre Entscheidungsprozesse ablaufen. Dies wird es Ihnen erlauben, aus der Weisheit heraus eine Wahl zu treffen statt aus der Angst oder dem Verlangen.
DRITTENS: Heilen Sie Ihr Herz, heilen Sie Ihre Gefühle. Je offener sie sind, je mehr Freude und Dankbarkeit Sie empfinden, desto mehr werden Sie sich Ihres Lebens erfreuen und Ihr Licht in der Welt leuchten lassen können. Je mehr Licht Sie in der Welt verbreiten, desto mehr können Sie anderen allein durch Ihre Präsenz helfen.
Der Wandel muss in allen drei Bereichen – im Körper, im Geist und in den Gefühlen – gleichzeitig stattfinden und kann so in einen wundervollen neuen Seinszustand münden. Sie werden anfangen, ein neues Dasein zu führen, ein Dasein, von dem Sie schon
immer wussten, dass Sie es führen können; ein sinnvolles Leben, ein Leben voller Liebe, ein Leben, das den Atem wert ist.

Doris Iding: Vielen Dank für das Interview!

Zum Weiterlesen: Max Strom: Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle – Die drei Säulen der Transformation. Kailash Verlag 2011

www.maxstrom.com

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