Dienstag, 4. Juli 2017

Traumasensibles Yoga – Möglichkeiten und Grenzen – Joachim Pfahl im Interview

Der Yogalehrer Joachim Pfahl kennt sich aus mit traumatisierten Menschen. Seit Jahrzehnten arbeitet er in unterschiedlichen Kontexten mit Betroffenen. Sein sanfter, umfassender Yogastil unterstützt sie darin, in sich selbst ein zu Hause zu finden!

Vor einigen Monaten ist das Buch "Traumasensibles Yoga" erschienen, dass Du mit Regina Weiser und Angelika Dunemann geschrieben hast. In dem Buch Traumasensibles Yoga stellt ihr TSY als eine Möglichkeit vor, traumatische Erfahrungen besser bewältigen zu können. Was ist in deinen Augen das Besondere an dieser Methode in Hinblick auf die Heilung von Traumata?

Der Körper bin ich - nur etwas fester. Gerade im Körper sind traumatische Erlebnisse abgespeichert. In der Traumatisierung ist die Abspaltung vom Körper eine Schutzfunktion das Leid, den Schmerz nicht spüren zu müssen. Solange keine Möglichkeit besteht, sich anschließend an die Traumatisierung zu erinnern, ohne getriggert zu werden, ist diese Schutzfunktion weiterhin aktiv. Traumsensibles Yoga ist das sensible Einladen, den Körper wieder als sicheren Ort zu erleben und damit Zugang zu mir selber zu finden, ich in mir und meinem Körper zu Hause zu fühlen. Yoga steigert die Fähigkeit präsent sein zu können und damit die Fähigkeit mit verletzten Gefühlen in Kontakt treten zu können und sie zu spüren ohne von ihnen überwältigt zu werden. Etwas was keine Liebe und Aufmerksamkeit in der Abspaltung bekam, bekommt diese Zuwendung. Kann atmen - kann heilen. Die Abspaltung wird aufgelöst, dann ist es möglich wieder Ganz zu sein heil zu werden.


Für welche Menschen ist diese Methode besonders empfehlenswert?

Im Ersten für komplex Traumatisierte oder Monotraumata. Jedoch können wir hier fast alle anderen psychischen Krankheiten und besonders auch stressbedingte Krankheiten wie Burnout etc. sehr erfolgreich ansprechen.


Muss man besonders beweglich sein, um TSY machen zu können?

Jeder kann diese sanfte Form des traumsensiblen Yogas praktizieren, da es nicht leistungs-, sondern wahrnehmungsorientiert ist. So ist meine heutige Ausführung z.B. einer Asana egal wie eingeschränkt die Bewegung ausfällt, heute meine perfekte Haltung. Daher ist auch jede Form von Behinderung oder anderer Einschränkung kein Hindernis mit sich wieder in Kontakt zu kommen.


Braucht es ein Interesse an östlicher Spiritualität oder eignet sich diese Methode auch für Atheisten?

Ganz nüchtern und wissenschaftlich betrachtet wird durch Yoga welches Atemübungen und Meditation beinhaltet der Zentrale vagus Nerv des Parasympathikus angeregt und aktiviert, der für die Entspannungs- und Loslass-Mechanismen verantwortlich ist. Die Aktivität des dorsalen vagus Nerv, der für die Erstarrung (Depression, Ohnmacht, Hilflosigkeit) verantwortlich ist, wird dabei heruntergefahren. Auch werden Stresshormone abgebaut die durch die Kampf-, /Flucht Reaktionen bei Triggersitutationen entstehen, schneller abgebaut. Das Praktizieren ist das praktizieren von Übungen, Techniken die keinerlei Glauben an östliche Spiritualität erfordern nur den neu entdeckten oder zu endeckenden Glauben an sich Selbst.


Wo sind die Grenzen des TSY?

Wie alle therapeutischen Maßnahmen erfordert es eine Bereitschaft. Eine Bereitschaft auch mitzuwirken und zu praktizieren. Ein Teil des TSY ist aber gerade ein Hinführen auch das zu bewirken, zur Selbstwirksamkeit zu finden.

Wie viele Stunden braucht es deiner Erfahrung nach für einen Menschen mit einem a) Schocktrauma und b) Entwicklungstrauma um von TSY profitieren zu können?

Auch wenn meist ein Entwicklungstrauma klassisch als schwerer behandelbar angesehen wird als ein Schocktrauma - ist die akute Verzweiflung, sich ohnmächtig, hilflos, ausgeliefert zu fühlen, meist gleich. Es entsteht dadurch eine zusätzliche psychosomatische abwärts Spirale die sich in vielerlei Symptomen äußern kann. Es ist möglich in ein paar Stunden neue positive andere Erfahrungen zu machen, zu erlernen. Dies ermöglicht eine Referenzverschiebung meiner Ich/Selbst Erfahrung von hilflos, meiner eigen negativen Erfahrungen ausgeliefert zu sein, hin zu: jetzt bin ich Stille, in Frieden in mir verankert. Das bin ich jetzt, das bin ich auch.


Was ist Dir persönlich besonders wichtig bei der Vermittlung von TSY?

Interozeption, die Spürfähigkeit, die Fähigkeit den Körper zu spüren und damit authentisch mit sich selbst in Kontakt zu treten. Hier ist die Schnittstelle zu unserer innewohnenden Stille und Unbegrenztheit. Samadhi. Sein. Der Schlüssel zu innerer Freiheit.


Worin liegt für dich in Bezug auf TSY das Glück der kleinen Dinge?

Sich zu spüren ist die Voraussetzung präsent sein zu können. Bessel van der Kolk beschreibt Trauma als die Krankheit nicht präsent sein zu können. Präsenz ist die Basis glücklich zu sein.

Öfters habe ich erlebt, dass mit einem einfachen lauten festen Händeklatschen wie einem Applaus für sich oder andere, anschließend das erste Mal erfahren wurde sich wieder zu spüren und damit verlorenen geglaubtes Terrain wieder zu finden. Tag täglich dann Land zurückzugewinnen, was verloren galt. Unser Geburtsrecht ist, glücklich zu sein.

Herzlichen Dank für das Interview!


Titel: Traumasensibles Yoga – TSY: Posttraumatisches Wachstum und Entwicklung von Selbstmitgefühl
Autoren: Angela Dunemann, Regina Weiser, Joachim Pfahl
Taschenbuch: 248 Seiten
Verlag: Klett-Cotta, 2017
ISBN-13: 978-3608891812

Infos und Bestellung


Kontakt Joachim Pfahl
VEDA Institut für Yoga & Meditation
Marienweg 17
41363 Jüchen-Damm

 tel    02182 8864181
fax    02182 8864183
web   www.yoga-und-meditation.com


 






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