Montag, 5. Juli 2021

Über die Kunst des glücklich-Seins (auch wenn es - äußerlich gesehen - keinen Grund gibt)
 
Gedanken von LuNa Schmidt, Frühling-Sommer 2021
 
„Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben:
entweder so, als wäre nichts ein Wunder,
oder so, als wäre alles eins.
Ich glaube an Letzteres.“
(Albert Einstein)
 
Derzeit gibt es vielleicht vieles, was nicht so läuft, wie du es dir wünscht. Ich kenne das von mir: Diese Enttäuschung, wenn etwas nicht so ist, wie ich es geplant, gedacht oder mir gewünscht habe. Den Schmerz, wenn sich Menschen abwenden oder einen abwerten.
 
Vielleicht hilft dir der folgende Gedanke, wenn du dich das nächste Mal ärgerst oder leidest: Der Schmerz gehört zum Leben, so wie die Freude. Schmerz ist unvermeidbar. Leiden allerdings ist freiwillig. Du alleine entscheidest, ob und wie lange du leidest! Schmerz ist ein Teil des Lebens. Leid ist hausgemacht.

Leid entsteht, wenn du im Widerstand bist mit etwas. Wenn du wünscht, dass es anders wäre. Wenn du dich verstrickst in deinem inneren Drama. Wenn du dich regelrecht darin verbeisst.
 
Ein gängiger Mechanismus, den ich an anderen und auch an mir selbst beobachte, ist der, dass wir den Grund im Aussen suchen, warum etwas nicht so ist, dass wir glücklich sein können. Wir schimpfen auf die Umstände, die Politik, die bescheuerten Mitmenschen, die Chefin, den Kollegen etc. Das nennt man Projektion. Wir vergeuden unsere ganze Energie auf das, was nicht so läuft, wie (wir finden, dass) es sollte und haben auch schon die Schuldigen dafür.

Wenn wir uns in diesen Geschichten, die wir uns still im Inneren erzählen, verhedderen, schaffen wir weiteres Leid. Wir fühlen uns hilflos und machtlos in dieser Empörung und haben überhaupt keine Möglichkeit, in dieser Stimmung etwas zu verändern. Es kreiert immer mehr Leid für uns selbst und alle, mit denen wir zu tun haben.
 
Mir haben diese drei Aspekte geholfen:
 
Erstens: Wenn ich in der Projektion gefangen bin, dann beschwere ich mich über dieses und jenes. Ich beschwere mich über die Situation. Ich beschwere mich über die Politiker/innen. Ich beschwere mich über die Medien. You name it. Doch was tue ich da genau? Ich beschwere mich. Lass dir das mal auf der Zunge zergehen: ICH beSCHWERe MICH. Beschweren macht mich schwer. Ich mache es mir schwer, wenn ich in diesem „Beschwer-Modus“ bleibe. Meine Wahl!
 
Zweitens: Glaube nicht alles, was du denkst!
 
Drittens: Ich kann, wann immer ich bereit dazu bin, stoppen. Ich kann aussteigen aus diesem Gedanken- und Gefühlskarussell und aufhören auf die Aussenwelt zu projizieren.
Stattdessen kann ich innehalten und mich fragen, was jetzt wirklich HIER ist. Was löst es aus in mir? Was fühle ich? Jetzt. Sobald ich mich nach innen wende und wirklich fühle, was ist, dann hole ich mir die Macht zurück. Und dann kann ich alles verändern. Es beginnt in mir drin. Immer.
In dem Moment, in dem ich aufhöre zu projizieren, z.B. meine Wut, meine Frustration, kann ich wirklich fühlen, was in mir getriggert wird. Viele sind es nicht mehr gewohnt und haben es verlernt wirklich zu spüren. Durch dieses Fühlen kann sich etwas im Inneren wandeln.
 
Mein Tipp: Mir hilft Musik in so einem Prozess. Immer, wenn ich merke, dass ich in einer Emotion feststecke und mir innerlich immer die gleiche Geschichte erzähle und mich so immer tiefer in die Emotion hineinreite, halte ich inne. Ich fühle, was gerade da ist. Und nutze dann Musik und Bewegung, die mich tiefer ins Spüren hinein sinken lässt.
Ich fühle dann, dass nach der Wut Hilflosigkeit auftaucht und nach der Hilflosigkeit Trauer und danach vielleicht sogar die Angst – etwas, das ich vorher gar nicht fühlen konnte!
Vielen geht es auch so: Diese unbewussten Emotionen konnten wir vorher nicht fühlen, weil viele von uns, von klein auf, darauf konditioniert wurden, unangenehmes zu unterdrücken. Deshalb ist es - meines Erachtens - heute enorm wichtig, wieder ins Fühlen zu kommen. Denn nur so kann die Intuition wieder ihren Platz einnehmen und die innere Führung übernehmen.
 
Erziehung und Konditionierung führen letztendlich dazu, dass wir uns von uns selbst abtrennen. Das Werkzeug für diese Trennung ist, das Fühlen zu unterbrechen.
Viele von uns bekamen als Kinder schon die Botschaft, dass wenn wir allzu überschwänglich Gefühle ausdrücken, es nicht okay oder nicht erwünscht oder unpassend ist. Wenn ein Kind schreit, wird es abgelenkt oder „ge-schhhhh-t“ – sei still. Es bekommt den Schnuller in den Mund gedrückt. Wenn Kinder weinen, bekommen viele den Spruch zu hören, dass „Indianer nicht weinen“. Oft gerade auch Jungs.

Intensive Gefühle, sei es Wut oder aber auch Freude und Ausgelassenheit sind häufig viel zu laut, zu unpassend. Einfach nicht salonfähig. So lernt unser Körper und unser Energiesystem von klein auf relativ schnell, was akzeptiert ist, um nicht anzuecken. Wir beginnen uns selber zu beschneiden und trennen uns so von der Gesamtheit ab. (Und das geht dann weiter wenn wir Yoga praktizieren oder gar lehren: Gewisses macht/sagt eine Yogalehrerin nicht: „Das ist unyogisch“. Und so geht die Selbstkasteiung weiter. Die Abspaltung. Schuld. Scham. Das ganze Paket.)
 
Mittlerweile wissen wir, dass das, was wir wegdrücken, nicht wirklich weg ist. Es wird, vereinfacht gesagt, eingekapselt und weggepackt. Es bildet Schichten um Schichten. Wir sind quasi umherlaufende Dampfkochtöpfe – es braucht wenig, bis es uns den „Deckel lupft“, bis es aus uns herausbricht. Durch diese sogenannten Trigger werden wir mehr und mehr zu Marionetten, die reagieren und sogar überreagieren, die handeln in einer Art und Weise, die wir so von uns selber nicht kennen.
 

Und was können wir nun tun?

 
Wenn wir es uns erlauben, alle Projektionen wieder zu uns zurück zu nehmen und wirklich zu spüren, holen wir die Macht wieder zu uns zurück. Wenn wir fühlen, was ist, können wir nach und nach in unsere Essenz hineinfallen. Wir können uns in die hinein entspannen, die wir wirklich sind. Gefühle wie Frieden, Glück und Freude tauchen ganz von alleine auf.
Das ist ein wirklich radikaler Weg, mit dem ich wirklich etwas verändere!
Wenn ich aufhöre, gegen etwas zu kämpfen und meine Energie gegen etwas zu richten, bringe ich die Macht zu mir zurück. Ansonsten nähre ich mit meiner Energie genau das, was ich nicht will. Dieser Weg, bei dem ich in die Eigenverantwortung gehe und die Verantwortung für mein Glück selbst in die Hand nehme ist total radikal, denn nur da kann ich wirklich etwas verändern.
Wenn ich gegen etwas bin, geht meine Energie, meine Aufmerksamkeit raus und ich verlasse mich. Ich nähre mit der Aufmerksamkeit das, was ich nicht will. Wenn ich meine Energie zurück nehme und mir meine Trigger bewusst mache und alles, was ich verdrängt habe, kann ich in mir Raum schaffen. Ich bin dann auch weniger beeinflussbar, weil ich in mir wurzle. Wenn in diesem Zustand, wen ich bei mir zu Hause bin, jemand auf mich zu kommt mit irgendwelchen manipulativen Informationen, brauche ich darauf gar nicht mehr anzuspringen. Nur wenn Angst da ist und viel Unterdrücktes, springe ich auf die Trigger an.
 
 
Mein Schlüssel für das Glück ist die Dankbarkeit
 
"Wenn ich nur ein einziges Gebet hätte wäre es: Danke." (Meister Eckhart)
 
Du kannst Dankbarkeit kultivieren und zwar unabhängig von den äusseren Umständen. Es ist eine Wahl. Und eine tägliche Praxis.

Wenn du dein Glück von äusseren Umständen abhängig machst, dann wirst du leicht zum Spielball des Lebens. Es wirft dich hin und her. Du wartest auf die perkekten Umstände, um glücklich zu sein. Dankbarkeit ist eine Wahl. Du wählst bewusst, den Blick auf das zu legen, was sich dir im gegenwärtigen Moment präsentiert und was du wertschätzt.
 
Gerade in den vergangenen Monaten konnten wir am eigenen Leib erfahren, wie schnell etwas, das wir für garantiert, für selbstverständlich hielten, einfach wegfallen kann. Dann ist nichts mehr, wie es war. Nichts ist sicher. Nie. Alles kann sich in einem Wimpernschlag ändern.

Die Kunst ist es, für die kleinen Dinge des Lebens dankbar zu sein und nichts für selbstverständlich zu nehmen. Dieses Leben nicht, die Menschen oder Tiere an deiner Seite nicht, dein Beruf nicht, deine Wohnung nicht. Das zu erkennen kann in eine totale Präsenz führen. In eine Achtsamkeit und Dankbarkeit.
 
Es gibt so unendlich viele Momente während eines Tages, für den du dankbar sein könntest. Gleich zu Beginn, wenn du erwachst. Im Bett, beim Öffnen der Augen:
 
·       Danke für diesen weiteren, geschenkten Tag!
·       Danke für meinen Atem.
·       Danke für meine Sinne, das Sehen, Riechen, Hören, Fühlen, Schmecken.
·       Danke für die warme, geschützte Wohnung. Die Heizung. Das kuschlige Bett.
·       Danke für die Toilette mit der automatischer Spülung.
·       Danke für das Toilettenpapier.
·       Danke, dass ich einfach den Wasserhahn aufdrehen kann und frisches Trinkwasser aus der 
        Leitung kommt.
·       Danke für das erste Getränk – was auch immer es sein mag.
·       Danke für die wohltuende Dusche am Morgen (oder Abend).
·       Danke für die Seife, das Shampoo, das Badetuch. Für die Zahnbürste und die Zahnpasta.
·       Danke für die Elektrizität - ich kann mit einem Knopfdruck das Licht einschalten oder mein 
        Smartphone/Tablet/Rechner starten. Habe Zugang zum Internet.
·       Danke für die Wärme in meinem Haus. Für das Heizöl.
 
Und so kann es weiter gehen. Wir nehmen so vieles als selbstverständlich. Mehrere Mahlzeiten am Tag. Getränke. Ein Eis. Kleidung. Volle Regale im Supermarkt oder Bioladen.
 
Es hilft, sich zu erinnern, dass wenn wir zu denen gehören, die ein Dach über dem Kopf und Essen im Kühlschrank haben, wir mehr haben, als 75% der Menschen dieser Erde. Wenn wir sogar ein Bankkonto haben, Geld in der Brieftasche, wenn wir in einem Land leben, das gerade nicht von Bomben zerstört wird und wenn wir das, was hier geschrieben steht, auch lesen können, dann gehören wir zu den privilegierten 15% dieser Welt.
 
Es lohnt sich, das sacken zu lassen und es nicht nur zu denken, sondern wirklich im Körper zu FÜHLEN.
 
Es bedarf zu Beginn einer gewissen „Disziplin“ oder Übung, um das Schöne im Alltäglichen zu erkennen. Je nach dem, wie unser Gehirn es gewohnt ist, zu arbeiten, wollen die Sinne verfeinert werden.
 
Regelmäßig dankbar zu sein verändert dein Leben langfristig nicht nur hin zu einem reicheren, emotionalen und gefühlvollen Leben, sondern schenkt dir auch die Fähigkeit, Glück zu empfinden. Ein Glück, das unabhängig von den äusseren Umständen ist.
 
Tipp für ein tägliches Dankbarkeitsritual:
Schreibe vor dem zu Bett gehen 3-5 Begebenheiten / Situationen / Dinge / Menschen / Erfahrungen auf, für die du an diesem Tag dankbar bist.
 

Zur Autorin Lucia Nirmala (LuNa) Schmidt

Lucia Nirmala besitzt die Fähigkeit, komplexe Themen verständlich und einfach zu erklären, ohne dadurch an Tiefe zu verlieren. Sie hat einen unvergleichlichen, undogmatischen Unterrichtsstil entwickelt, der tief in Yoga gegründet ist. Dabei nutzt sie die vielfältigen Methoden des Yoga nicht nur um Gesundheit und Wohlbefinden zu unterstützen, sondern auch um Spiritualität zu Leben.
Das transformierende an Lucia‘s Arbeit ist, dass sie Bewegung, also die ganz physische Dimension, mit einer spirituellen, energetischen Dimension verbindet und dabei so wunderbar natürlich und einfach bleibt. Sie ist durchdrungen vom Kaschmir Shivaismus, insbesondere der Pratyabhijña- und Spanda-Tradition, einem jahrtausende alten, mystischen Weg, der frei ist von Dogmen, strengen Geboten, ausgefeilten Praktiken oder stilisierten Ritualen. Es ist ein anarchistischer, revolutionärer Yoga-Weg, um Freiheit und Glück zu erleben.
Lucia Nirmala leitet weltweit Seminare, Workshops und Retreats und unterrichtet an ihrem Ausbildungsinstitut BodyMindSpirit in Zürich. www.body-mind-spirit.ch und www.chiyoga.ch.
 
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http://www.youtube.com/watch?v=XptIUuN0JcM
 
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