Der Weg zum Glück führt über die Brücke der eigenen Veränderung. Ein Interview mit Gerald Hüther
Gerald Hüther macht Mut. Dieser Wissenschaftler inspiriert. Er lädt uns ein, aktiv zu werden, kreativ zu sein. Kein Wunder, dass Gerald Hüther zu dem wichtigsten Wissenschaftlern der Gegenwart zählt. Er hat viel zu sagen zum Thema Angst. Aber auch zum Thema Glück äußert er sich immer wieder. Deshalb darf das Gespräch mit ihm auf meinem Blog "Vom Glück der kleinen Dinge" nicht fehlen.
1. Sie sind einer der bekanntesten Neurowissenschaftler Deutschlands und setzen sich sehr dafür ein, dass wir unser Gehirn nutzen. Was ist die Voraussetzung dafür, dass wir unser Gehirn konstruktiv einsetzen?
Das Gehirn ist ja immer mit irgendetwas beschäftigt, es
passt ständig auf, dass alles, was im Körper abläuft möglichst gut koordiniert
wird und wir am Leben bleiben. Es versucht, seine Arbeitsweise so einzurichten,
dass auch im Gehirn selbst alles möglichst gut zusammenpasst. Das kennen wir ja
alle: unsere Erwartungen sollen sich erfüllen, unser Denken, Fühlen und Handeln
eine Einheit bilden, alles, was uns stört, was uns irritiert oder gar Angst
macht soll möglichst schnell wieder verschwinden. Und dafür setzen wir uns dann
eben auch ein, und wenn es klappt, sind wir glücklich. Vor allem geht es darum,
die beiden Grundbedürfnisse zu stillen, mit denen wir schon auf die Welt
gekommen sind, also das nach Verbundenheit einerseits und das nach eigenen
Gestaltungsmöglichkeiten, nach Autonomie und Freiheit andererseits. Das ist
nicht so ganz leicht, wenn einem ständig andere sagen, was man zu tun und zu lassen
hat, damit man dazugehören darf.
Wer im Leben nicht das findet, was er so dringend braucht,
bleibt ein Bedürftiger und sucht sich dann meist etwas, das ihm über den
Schmerz hinweghilft. Das kann Alkohol sein oder Drogen, aber auch Einkaufen
oder Karriere machen. Auch dafür kann man sein Gehirn recht konstruktiv
einsetzen. Aber so recht glücklich macht es eben nicht, jedenfalls nicht auf
Dauer.
2. Angenommen, ich möchte im Neuen Jahr mehr Sport treiben, keinen Alkohol mehr trinken oder weniger arbeiten. Was braucht es, damit ich mein Vorhaben nicht nach zwei Wochen wieder über Bord werfe?
Wenn Sie es wirklich wollen, dann machen Sie es auch. Wenn Sie aber nur davon reden, was Sie alles gern wollen würden, schaffen Sie es nie. So einfach ist das.
3. Wie kann ich mein Vorhaben trotzdem umsetzen, wenn ich in einem Umfeld lebe, die an einer solchen Veränderung nicht interessiert sind?
Es bringt ja nichts, wenn Sie das, was Sie sich vornehmen
von den Reaktionen der Anderen abhängig machen. Das ist Ihr Leben und ihr
Körper und Ihre Lebensfreude, um das es geht. Und wenn ihnen andere
vorschreiben wollen, was Sie zu tun und zu lassen haben, so haben die ein
Problem, nicht Sie. Meist können es diese anderen nicht gut aushalten, wenn Sie
sich verändern und dies Anderen so bleiben, wie sie sind. Das passt dann nicht
so gut in deren Gehirn.
4. Wie viel Zeit braucht es, damit ich neue Gewohnheiten etabliere?
Geht es denn wirklich darum, eine sonderbare Gewohnheit
durch eine andere zu überlagern? Das kann bisweilen recht lange dauern, meist
funktioniert es gar nicht. Besser wäre es, eine eigene Entscheidung zu treffen,
dass Sie so wie bisher einfach nicht mehr nicht weitermachen wollen.
Das dauert nur eine Sekunde.
5. Ich stelle immer wieder fest, dass Menschen sich mit Ihren Vorhaben überfordern. Sie möchten sich ändern, aber hängen das Ziel meines Erachtens häufig zu hoch, sodass ein Scheitern vorprogrammiert ist. Wie kann ich das vermeiden?
Man kann sich nur verändern, wenn man es selbst auch
wirklich will. Und wollen kann man es nur, wenn das, was einen nach dieser
Veränderung erwartet, wirklich attraktiver ist als das, was Sie bisher gemacht
haben. Sie könnten beispielsweise versuchen, ab sofort etwas liebevoller mit
sich selbst umzugehen. Probieren Sie es aus, beim Essen zum Beispiel, beim
stundenlangen Herumsitzen vor einem digitalen Gerät, beim Anschauen
irgendwelchen Schwachsinns im Fernsehen...einfach nichts mehr machen, was Ihnen
nicht gut tut. Sie werden überrascht sein, was dann alles passiert.
6. Im letzten Jahr ist Ihr Buch „Wege aus der Angst“ erschienen. Welche Rolle spielt die Angst bei unserem Wunsch etwas in unserem Leben zu verändern?
Wenn wir Angst haben, stimmt etwas nicht. Dann sind wir
irgendwie auf einen lebensbedrohlichen Irrweg geraten. Die Angst ist dann wie
ein Wegweiser. Sie hilft uns, wieder dorthin zurückzufinden, wo es freier,
selbstbestimmter und glücklicher weitergeht.
Vielen Dank für das Interview.
Dieses Gespräch mit Dr. Hüther erschien im Januar in der Printausgabe der Münchner Abendzeitung.
Lesenswertes von Dr. Gerald Hüther: Wege aus der Angst. Vandenhoeck & Ruprecht; 1. Auflage 2020 (7. September 2020)
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