Wie aus gestressten Managern zufriedene Menschen werden können – Paul Kothes im Gespräch
Wir befinden uns in einer besonderen Zeit: Die Ansprüche an die Menschen im Berufsalltag werden einerseits immer höher und unerfüllbarer und gleichzeitig erkennen andererseits viele auch die Sinnlosigkeit dieses geschäftlichen und wirtschaftlichen Systems. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen in Techniken wie Yoga und Meditation oder Zen versuchen, Antworten auf die Sinnfragen im Leben zu finden. Besonders auch Führungskräfte werden immer wieder hin- und hergerissen, eine Balance zu finden zwischen dem Druck der beruflichen Aktivitäten und den eigenen Bedürfnissen nach Ruhe und Persönlichkeitsentfaltung. Paul Kothesm Begründer von PLEON Kothes Klewes, einer der marktführenden Beratungsgesellschaften für Öffentlichkeitsarbeiten, spannt den Bogen zwischen aufreibender Arbeit und spiritueller Entwicklung mit einer ganz einfachen Formel: Nimm Dir Zeit!
In seiner mehr als 30-jährigen
Beratungstätigkeit für Öffentlichkeitsarbeit hat Paul Kothes immer wieder
erlebt, wie sehr sich seine Kunden über ihre Tätigkeit definieren: So
präsentiert man sich lieber als Firmenchef der Firma Groß & Klein, wie als
Familienvater von vier Kindern oder als Yogaschüler eines unbekannten Lehrers.
Natürlich ist die Definition unserer Tätigkeit hilfreich, um unserem Gegenüber
eine Orientierung zu bieten, dennoch sehen laut Kothes viele Manager
tragischerweise ihre berufliche Funktion allzu oft mit ihrer Persönlichkeit
gleich. Die Folge ist eine Überidentifikation mit dem, was man tut. Auch in
anderen Bereichen kommt es zu solchen Überidentifikationen: wie gerne stellt
man sich als Yogalehrer, Reki-Meister oder als Tai-Chi-Lehrer vor und fühlt
sich erst in seiner Rolle als erfolgreicher Geschäftsführer eines Yogastudios
oder anerkannten Yogalehrers richtig wohl. Definiert sich ein Mensch jedoch
ausschließlich über die Position und die Rolle, die er in der Gesellschaft hat,
bleibt ein großer Teil unserer Identität unterentwickelt. Denn die Fülle
unserer Identität setzt sich zusammen aus vielen verschiedenen Faktoren wie
unserer gesamten Biografie, unserer Sozialisation, unserer Genetik, der
Erziehung – sowohl von Eltern als auch von Lehrern – und auch aus der Kultur
und Religion, in die wir hineingeboren wurden. Um laut Kothes aber ein
erfülltes Leben auf allen Ebenen zu führen, sollte man deshalb darauf achten,
dass man eine vollständige, eine lebendige, persönliche Identität entwickelt,
die alle Lebensbereiche beinhaltet.
Abstand zu den Dingen finden
Kothes verweist in seinen Büchern und Seminaren immer wieder auf Zen-Geschichten, in denen moderne Manager besonders eines von alten Zenmönchen lernen sollen: Alles hat seine Zeit! Denn für Kothes entsteht jede Qualität in einem bestimmten Zeitrahmen. Es macht keinen Sinn, diesen Zeitraum, in dem etwas heranreift, zu übertölpeln oder ihn zu umgehen. Egal, ob es sich dabei um eine kleine Entscheidung handelt oder um eine solche, bei der es um Millionenbeträge geht. Denn nur wenn man einen großen Abstand zu den Dingen findet, hat man auch den notwendigen Überblick. Für ihn bedeutet dies, in der Lage zu sein, einen Schritt zurückzutreten und das zu Bewertende in seiner Gesamtheit zu sehen – sowohl die eigene Person, als auch die geschäftliche Situation, in die man eingebunden ist.
Für Kothes hat nicht nur alles
seine Zeit, sondern es braucht auch alles seine Zeit. Um erfolgreich zu sein,
sollte man seiner Meinung nicht nur seinem Ratio folgen, sondern auch Bauchentscheidungen
fällen. Aber um in einer so verstandesgesteuerten Gesellschaft wie der unseren
wieder ein Gefühl für seine Intuition zurückzugewinnen, braucht es Zeit. Somit
scheint es gerade im Geschäftsleben wie ein Paradox zu klingen, wenn Kothes in
seiner Funktion als Berater gestressten Managern erklärt, dass sie sich einmal
Zeit lassen sollen, um Entscheidungen zu fällen. Die meisten Manager antworten
ihm auf einen solchen Vorschlag, dass ihnen dies nicht möglich ist. Auch wenn
Kothes Führungskräften rät, sich für die Zenpraxis zurückziehen, argumentieren
sie, dass sie derart viele Aufgaben haben, die sie sowieso so kaum bewältigen
können und für so scheinbar unlukrative Techniken wie Meditationen erst recht
keine Zeit haben. Ob man allerdings ein Übermaß an Aufgaben hat, die sowieso
nicht in dem vorgegebenen Rahmen erledigt werden können oder ob es nur eine
falsche subjektive Wahrnehmung ist, die einem vorgaukelt, überhaupt keine Zeit
zu haben, um sich für ein paar Tage zurückziehen, um zu meditieren, bleibt
dahin gestellt. Denn meist ist dieses Gefühl, unersetzlich zu sein, relativ.
Ist man nämlich einmal bereit, abwarten, statt der Zeit hinterher zu laufen,
erkennt man, dass es auch anders geht. Denn erst wenn man sich nicht unter
Zeitdruck setzt und versucht losgelöst von der Zeit mit Ruhe und Weitblick zu
erkennen, was sich gerade entwickelt und welche Rolle man selbst darin spielt,
erkennt man, dass alles, was geschieht, dem Prinzip folgt, sich zu optimieren.
Natürlich kann man einwenden,
dass wer sich zu viel Zeit lässt, um Abstand zu wahren und abzuwarten, seine
täglichen Aufgaben nicht wahrnehmen kann, nicht lebenstüchtig ist und seine
Geschäfte nicht erfolgreich führen kann. Die Praxis beweist laut Kothes das
genaue Gegenteil: Wer sich ab und zu unabhängig von der Zeit macht und die
Dinge aus der Entfernung betrachtet, wird feststellen, dass er die „vorhandene“
Zeit effektiver nutzt und die Leistungsfähigkeit steigert. Es ist nämlich
keineswegs so, dass wir uns durch Abstand aus dem Lauf der Dinge auskoppeln,
sondern vielmehr erhalten wir erst dadurch das know-how, um uns richtig in den
Fluß der Dinge begeben zu können. Wir verschwenden unsere Zeit nicht mehr
dafür, gegen Widerstände anzukämpfen, sondern nutzen sie, indem wir sie
kanalisieren und in die richtige Richtung lenken. Das erfordert allerdings,
dass wir uns klare Zeitprioritäten setzen und uns an die Zenweisheit halten:
Wenn Du keine Zeit hast, dann nimm Dir welche!
3 weitere goldene Regeln auf dem Weg zur beruflichen Zufriedenheit
- Akzeptiere Dich selbst!Den meisten Menschen fällt es schwer, sich selbst zu akzeptieren – besonders wenn es um all die kleinen Schwächen und großen Unzulänglichkeiten geht. Wechselt man aber auf die Ebene eines Unternehmers, so wird schnell offensichtlich, dass ein Unternehmen, dass sich selbst akzeptiert, stolz auf sich ist. Und umgekehrt: Ein Unternehmen, dass nicht stolz auf sich ist, befindet sich auf dem Weg zum Niedergang. Auf den Menschen übertragen bedeutet dies: Nur wer sich selbst liebt und achtet, kann sich positiv weiterentwickeln und erfolgreich sein.
- Stärke deine Stärken!Unser Gehirn reagiert überaus bereitwillig und wohlwollen auf positive Signale. Andersherum reagiert es kritisch und abwertend auf Verbote und Gegenanzeigen.
Auf unsere Stärken bezogen bedeutet dies, dass es uns nichts bringt, wenn wir uns uns ständig kritisieren. Sich selbst positiv zu stimmen, lautet das Geheimnis. Nur wer sich selbst lobt – egal ob für große Taten oder Kleinigkeiten – stärkt auf Dauer seine eigenen Stärken. - Kämpfe nie gegen deine eigenen Schwächen!Gegen die eigenen Schwächen oder derer anderer anzugehen ist reine Energieverschwendung. Schwächen zu akzeptieren ist die Kunst. Erst dann lösen sie sich irgendwann von selbst auf und am besten dann, wenn man es einfach gesehen lässt.
(entnommen dem Buch: Dein
Job ist es frei zu sein. Paul Kothes)
Niemals mehr ärgern!
Gegensätze zu vereinen stellte für Paul Kothes, Manager und Zenlehrer schon immer eine große Herausforderung dar. In seinen Büchern und Zen-Sesshins, wie z.B. dem Kurs „Zen für Führungskräfte“ am Benediktushof, versucht er heute, Manager dahin zu bringen, das Leben gelassener zu sehen und sich nie mehr zu ärgern.
Wie würden Sie sich dem
Leser vorstellen?
Ich bin dabei,
die Verbindung von Arbeitswelt und Spiritualität zu fördern. Ich habe erkannt,
dass gerade hier großes Defizit besteht und zwar bei allen Firmen, bei allen
Menschen, die im Berufsleben stehen. Das gleiche gilt auch für jeden Menschen –
auch im privaten –, aber im Berufsleben wird diese Spannung doch noch viel
deutlicher spürbar.
Können Sie bitte in ein
paar Sätzen skizzieren, wie Sie zum Zen gekommen sind?
Ich habe mit
19 Jahren einen Yogakurs besucht, habe es dann aber wieder gelassen, allerdings
war der Samen gelegt. Mit 28 Jahren habe ich meine Werbeagentur gegründet, die
von Anfang an sehr gut lief. Durch eine Krankheit bedingt bin ich dann in eine
große Krise geraten und habe gesehen, dass es im Leben auch noch etwas anderes
gibt, als das Geschäftsleben. Zum Zen bin ich durch Prof. Michael von Brück,
einem Religionswissenschaftler gekommen. Er war in Deutschland einer der
ersten, der Zen mit Yoga verbunden hat. Diese Verbindung hat mir sehr gut
gefallen, auch wenn ich es als Anfänger als sehr hart empfunden habe. Ich habe
meinen Beruf weiterhin ausgeübt, aber die ganze Zeit immer regelmäßig
praktiziert. Im Nachhinein weiß ich gar nicht, wie mir dies gelungen ist, aber
es hat gut geklappt. (lacht).
Hier schließt meine nächste Frage an: Sie haben ein
sehr erfolgreiches Unternehmen geführt und wie alle erfolgreichen Manager
hatten Sie wahrscheinlich auch keine Zeit. Woher haben Sie sich die Zeit für
Zen dann genommen?
Ich habe sie
mir einfach genommen. Somit weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man sich die
Zeit nehmen kann! Während der Zen-Tage, die ich leite, habe ich immer wieder
viele Gespräche, in denen die Teilnehmer auf mich zukommen und mir sagen, dass
sie keine Zeit für Zen oder für Spiritualität haben. Meine Antwort lautet
immer, dass es lediglich eine Sache der Prioritäten ist. Objektiv betrachtet
hatte ich selbst die Zeit damals auch nicht: Als Chef eines großen
Unternehmens, drei Mal pro Jahr eine Woche zu einem Sesshin zu fahren...
(lacht). Drüber hinaus hatte ich ja auch noch eine Familie mit Kindern, mit
denen ich auch noch Ferien machen musste! Aber es ging!
Aber eine solche Bereitschaft setzt ja auch eine
Veränderung im Bewusstsein voraus, oder?
Das ist ja
das Interessante an dem Weg! Man beginnt und ist noch voller Selbstzweifel und
weiß nicht, ob es überhaupt richtig ist. Aber je weiter man geht, desto mehr
Veränderungen treten im Bewusstsein auf. Und desto mehr bekommt man das eigene
Puzzle – bestehend aus der eigene Persönlichkeit, dem Beruf etc und der Frage,
wie man dies unter einen Hut bekommt – zusammen. Auch wenn es lange Zeit nicht
offensichtlich ist, aber irgendwann ist es einfach da.
Was ist mit den Menschen, deren Arbeitsverhältnis
von Angst und Mobbbing geprägt ist. Sie haben viel zu große Angst vor
Jobverlust, als dass sie sich neben ihrem Jahresurlaub auch noch drei Wochen
für Zen-Sesshins gönnen. Wie können gerade Führungskräfte damit umgehen?
Wichtig ist,
dass man zuerst einmal die Angst wahrnimmt und sie auch da sein zu lassen und
sie nicht wieder wegzudrücken. Denn man kann sich ihr nur stellen – auch dann,
wenn man sie eigentlich nicht haben will. Fälschlicherweise aber wird Angst
sofort unterdrückt.
Gerade Führungspersonen erscheinen doch stark und
gestehen sich oftmals die eigenen Gefühle nicht ein; wie kann man solche
Menschen dort abholen, wo sie gerade stehen?
Sie sehen es
zum Beispiel hier an dem Kurs „Zen für Führungskräfte“. Während dieses Kurses
gibt es viele Entspannungsübungen. Im Gegensatz zu vielen traditionellen
Zenschulen haben wir nicht den Anspruch, den Schüler gewaltsam durch seine
Hindernisse zu bringen. Ich selbst habe diese Methoden probiert und glaube,
dass so radikale Ansätze nur zu Scheinergebnissen führen. Meines Erachtens gibt
das Hirn in einer solchen strengen Situation auf und produziert dann eine
solche Erleuchtung, wie der Meister sie gerne hätte. Sie klingt in diesem
Moment vielleicht auch ganz real, aber ist nicht von Gehalt. Ich persönlich
glaube, dass tiefe Einsichten nur durch den Wechsel von Anspannung und
Entspannung möglich sind. Und wenn wir dann wirklich entspannt sind, können wir
unsere Angst ansehen und erkennen, dass dahinter viel, viel mehr ist. Etwas,
was viel spannender ist und viel bereichernder ist, als die Angst.
Woran erkennt ein Meister, ob es eine
Scheinerleuchtung ist oder eine Erfahrung nicht tief genug ist?
(Pause) Ich zögere,
eine Antwort hierauf zu geben, denn ich möchte diese Erfahrung nicht schlecht
machen. Ich finde es auch gut, eine Erleuchtungserfahrung zu haben, aber ich
finde es viel wichtiger, das wir einen Erleuchtungsteppich knüpfen. Viele
kleine Erfahrungen sind viel besser, oder oftmals viel tragfähiger, als eine
Mega-Erleuchtung. Ob der Meister erkennt, dass es eine Erleuchtungserfahrung
ist oder nicht, ist meines Erachtens gar nicht so wichtig. Wichtiger ist meines
Erachtens viel mehr, ob die Erfahrung auch tragfähig ist, die jemand gemacht
hat oder ob die Erfahrung nur bis zum Ende des Seminars hält oder noch eine
Woche länger.
Um eine solche Erfahrung zu machen, egal ob klein
oder megagroß, braucht es ja die Bereitschaft, loszulassen. Tut sich nicht der
Prototyp Manager schwer, loszulassen?
Ja,
natürlich. Aus diesem Grund haben ja auch viele dieser Manager Angst vor mir.
Das ist etwas, was ich auch immer wieder sehr genau spüre. Anders gesagt kommt
ja auch nur ein bestimmter Typus zu mir, und der bringt in der Regel schon eine
gewisse Bereitschaft mit, diese Schwelle zu überschreiten. Andere Manager
kommen erst zu mir, wenn sie sich in einer Krise befinden, bzw. wenn ihre Krise
sich bereits auf dem Höhepunkt befindet. Ich habe es gerade erst wieder bei
einem Geschäftsführer erlebt. Ich konnte seinen Weg und die sich anbahnende
Krise mitverfolgen. Aber er kommt erst jetzt, wo es einem schon fast weh tut,
mit anzusehen, wie groß sein Dilemma bereits ist.
Ist der Mensch nicht so
konzipiert, dass er selbst die Erfahrung machen muß?
Ja und nein.
Ich denke, dass wir bis zu einem gewissen Grad so lernen. Aber es geht auch
anders. Wie lernt ein Kind eine Sprache? Weil es Spaß daran hat. Wie lerne ich
Spiritualität? Oder wie lerne ich die Ganzheitlichkeit? Ich kann durch Druck
lernen oder durch eine Krise, weil ich gezwungen dazu werde. Ich kann aber auch
lernen, weil ich merke, dass es so viele positive Aspekte sind, die mich
weiterbringen. Und ich denke, dass die Zeit dafür reif ist, dass wir all diese
positiven Aspekte offen legen können. Wenn ich heute Vorträge halte, im
Management über Entspannung rede, dann geht das gut. Vor einigen Jahren war das
noch nicht in dem Rahmen möglich. Es geht darum, viel mehr Spaß an dem Weg und
an der Entdeckung zu haben.
Zum Thema Spaß: Zen ist per Definition doch sehr
rigide, mit seinem strikten Verhaltenskodex und macht nicht sehr viel Spaß....
Genau das ist
das Geheimnis. Zen ist im ersten Moment ja sehr spröde, sehr kalt, sehr
diszipliniert. Wenn ich es jedoch schaffe, mich darauf einzulassen, entsteht hinter
der Disziplin und Kälte eine enorm große Freiheit. Diese scheinbar spröde
Struktur ist ja nur der Rahmen, das Gefäß. Es ist wie eine Blumenvase. Und eine
Blumenvase hat keine andere Funktion, als das der Blumenstrauß wunderschön
aussehen kann. Eine gute Blumenvase, die zu einem wunderschönen Strauß passt,
macht doch erst das ganze Bild aus.
Je höher man auf der Erfolgsleiter oben steht,
desto einsamer wird man. Das ist zumindest die Erfahrung, von der mir
Führungskräfte in sehr bedeutenden Positionen erzählen. Trauen sich dann
Manager in wichtigen Positionen überhaupt, mit Ihnen über Ihr Innerstes zu
sprechen, über Ihre innersten Ängste zu sprechen?
Ja.
Irgendwann muß das Ventil einfach geöffnet werden. Ich erlebe es immer wieder,
dass Top-Manager die Gelegenheit in einem Gespräch mit mir im Rahmen eines
Zen-Sesshins nutzen, einfach mal von sich selbst zu erzählen, weil sie es sonst
nicht konnten.
Wahrscheinlich ist es ja auch von Vorteil, dass Sie
selbst eine Führungskraft sind, oder?
Wenn ich mit
ihnen persönlich spreche, oder einen Vortrag halte, dann hat es für sie einen
praktischeren Bezug zu ihrem Leben. Sie spüren schnell, dass ich weiß, wovon
ich rede. Gleichzeitig führt das natürlich auch dazu, dass die Ängste und der
Widerstand auftauchen. Vielleicht nicht sofort, aber ich merke es auch
hinterher, dass sie dann eine gewisse Ratlosigkeit herrscht.
Sie sind in der deutschen Wirtschaft ja eine
bekannte Größe. Haben Manager nicht auch Angst, wenn Sie sich Ihnen gegenüber
öffnen, als eine kleine Nummer zu gelten?
Diese Angst
vor dieser Erkenntnis ist so internalisiert bei den meisten Managern, dass sie
erst im Nachhinein merken, was ihnen da passiert ist, nachdem sie kurz die
Kontrolle aufgegeben haben. Erst später wird ihnen bewusst, dass sie in einem
solchen Gespräch offen gewesen sind. Das ist ja auch gerade das Geheimnis an
einem solchen Gespräch während eines Zen-Sesshins. In einem solchen Rahmen
gelingt es den Teilnehmern, die Barriere zu überwinden, und ganz zu sich selbst
zu kommen. Hier können sie endlich die ganze Maskerade, die ganze Hierarchie
weglassen. Es ist natürlich auch immer wieder ein großer Sprung, weil jeder
natürlich auch sein „Gockelverhalten“ hat und zeigen will, wer er ist.
Noch einmal zurück zu einer spirituellen Erfahrung.
Wie ist es für einen Manager, wenn er sich immer für den Nabel seiner kleinen
Welt gehalten hat und plötzlich merkt, dass er hinter all dem Nichts ist. Wie
kann ein Mensch in einer solchen Position diese Erfahrung gut integrieren?
Meines
Erachtens gilt hier der Weg der kleinen Schritte. Wenn ein Mensch einmal
entdeckt, dass es doch noch etwas anderes gibt, als das System in dem er sich
befindet, stehen sie oft ohne eine Alternative da und denken sich: Jetzt steige
ich aus, weil ich das in dem System nicht hinkriege. Aber ich glaube, es gibt
einen Weg, und das meine ich auch bewiesen zu haben, dass es möglich ist,
Arbeit und Spiritualität zu verbinden. Wenn auch in vorsichtigen Versuchen,
aber immerhin ist es mir gelungen, diese Aspekte anzunähern. Bei einem solchen
Versuch können dann auch die eigenen kreativen Fähigkeiten wieder zur Geltung
kommen. Und wenn ich merke, dass meine Fähigkeit zum schöpferischen Tun
gestärkt wird, sind das alles Dinge, die mich innerhalb des Systems
stabilisieren. Damit ist das System natürlich noch keinesfalls verändert, dass
will ich zugeben, aber das habe ich auch aufgegeben. Und glaube, dass ist auch
gar nicht unsere Aufgabe, sondern wir gehen unseren Weg. Schritt für Schritt.
Was raten Sie einem Manager, der aus einem solchen
Retreat kommt und glaubt, dass das System, in dem er ist, komplett eingefahren
ist und es für seine Weiterentwicklung keine Möglichkeit mehr gibt?
Es gibt immer
eine Möglichkeit, man muß sich nur dafür öffnen. Es geht nicht um das
Entweder-oder-Prinzip, sondern um das sowohl-als-auch, d.h. um die Integration
der verschiedenen Aspekte. Es gilt, die Aspekte der konventionellen linearen
Welt des Denkens und die Aspekte des Schöpferischen, des Künstlerischen
miteinander zu verbinden. Die Firmen, die das zulassen, erkennen, dass es sie
letztendlich sogar auf dem Markt erfolgreicher macht. Sie merken, dass es viel
besser ist, Produkte nicht einfach durch Druck zu verkaufen, sondern auch mit
Spirit zu versehen, was letztlich dann auch lukrativer ist. Einem Produkt ein
Spirit zu geben, heißt immer offen zu sein, sozusagen das ganzheitliche System
zu nutzen und die Kraft, die dahinter ist, mit einzubeziehen. Umgekehrt
ausgedrückt: nur die eigene Power mit einzubeziehen, ist ein bisschen dünn,
weshalb auch 9 von 10 Produkteinführungen in die Hose gehen.
Was raten Sie einem Manager, der in einem System
arbeitet, in dem man sich machtlos fühlt, ausgenutzt fühlt?
In einem
solchen Fall sollte man keine Energie mit Ärger verschwenden, sondern bei sich
bleiben, den wer sich ärgert, kann seine Talente nicht entfalten. In einem
solchen Fall sollte man tun, was zu tun ist – ganz im Sinne des Zen: Ich tue, das
was ich gerade tue. Versucht man hingegen, Recht und Ordnung in ein solches
System einzubringen, erreicht man nichts. Hingegen erreicht man etwas, wenn man
sich im Sinne einer Haltungsänderung sagt: Ich mache meine Arbeit im besten
Sinne, aber wenn ich etwas besseres finde, dann gehe ich. Deshalb sollte man
hier mehr bei sich zu bleiben und zu schauen, wo sind meine Stärken, anstatt
auf die Schwächen zu schauen und zu sehen, was man nicht bekommen kann.
Letzteres frustriert und verhindert auch die andere Seite, nämlich für das
gestaltende, das bewegende offen zu sein. All das wird durch den Ärger
blockiert. Und deswegen: niemals mehr ärgern!
Weitere Infos zu Paul Kothes
Ein umfassendes Seminarangebot von mir findest Du unter: glueckundachtsamkeit.de/glueckundachtsamkeit.de/
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