Dienstag, 16. Januar 2018

Wenn Du keine Zeit hast, nimm Dir welche!

Wie aus gestressten Managern zufriedene Menschen werden können – Paul Kothes im Gespräch

Wir befinden uns in einer besonderen Zeit: Die Ansprüche an die Menschen im Berufsalltag werden einerseits immer höher und unerfüllbarer und gleichzeitig erkennen andererseits viele auch die Sinnlosigkeit dieses geschäftlichen und wirtschaftlichen Systems. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen in Techniken wie Yoga und Meditation oder Zen versuchen, Antworten auf die Sinnfragen im Leben zu finden. Besonders auch Führungskräfte werden immer wieder hin- und hergerissen, eine Balance zu finden zwischen dem Druck der beruflichen Aktivitäten und den eigenen Bedürfnissen nach Ruhe und Persönlichkeitsentfaltung. Paul Kothesm Begründer von PLEON Kothes Klewes, einer der marktführenden Beratungsgesellschaften für Öffentlichkeitsarbeiten, spannt den Bogen zwischen aufreibender Arbeit und spiritueller Entwicklung mit einer ganz einfachen Formel: Nimm Dir Zeit!
In seiner mehr als 30-jährigen Beratungstätigkeit für Öffentlichkeitsarbeit hat Paul Kothes immer wieder erlebt, wie sehr sich seine Kunden über ihre Tätigkeit definieren: So präsentiert man sich lieber als Firmenchef der Firma Groß & Klein, wie als Familienvater von vier Kindern oder als Yogaschüler eines unbekannten Lehrers. Natürlich ist die Definition unserer Tätigkeit hilfreich, um unserem Gegenüber eine Orientierung zu bieten, dennoch sehen laut Kothes viele Manager tragischerweise ihre berufliche Funktion allzu oft mit ihrer Persönlichkeit gleich. Die Folge ist eine Überidentifikation mit dem, was man tut. Auch in anderen Bereichen kommt es zu solchen Überidentifikationen: wie gerne stellt man sich als Yogalehrer, Reki-Meister oder als Tai-Chi-Lehrer vor und fühlt sich erst in seiner Rolle als erfolgreicher Geschäftsführer eines Yogastudios oder anerkannten Yogalehrers richtig wohl. Definiert sich ein Mensch jedoch ausschließlich über die Position und die Rolle, die er in der Gesellschaft hat, bleibt ein großer Teil unserer Identität unterentwickelt. Denn die Fülle unserer Identität setzt sich zusammen aus vielen verschiedenen Faktoren wie unserer gesamten Biografie, unserer Sozialisation, unserer Genetik, der Erziehung – sowohl von Eltern als auch von Lehrern – und auch aus der Kultur und Religion, in die wir hineingeboren wurden. Um laut Kothes aber ein erfülltes Leben auf allen Ebenen zu führen, sollte man deshalb darauf achten, dass man eine vollständige, eine lebendige, persönliche Identität entwickelt, die alle Lebensbereiche beinhaltet.


Abstand zu den Dingen finden

Kothes verweist in seinen Büchern und Seminaren immer wieder auf Zen-Geschichten, in denen moderne Manager besonders eines von alten Zenmönchen lernen sollen: Alles hat seine Zeit! Denn für Kothes entsteht jede Qualität in einem bestimmten Zeitrahmen. Es macht keinen Sinn, diesen Zeitraum, in dem etwas heranreift, zu übertölpeln oder ihn zu umgehen. Egal, ob es sich dabei um eine kleine Entscheidung handelt oder um eine solche, bei der es um Millionenbeträge geht. Denn nur wenn man einen großen Abstand zu den Dingen findet, hat man auch den notwendigen Überblick. Für ihn bedeutet dies, in der Lage zu sein, einen Schritt zurückzutreten und das zu Bewertende in seiner Gesamtheit zu sehen – sowohl die eigene Person, als auch die geschäftliche Situation, in die man eingebunden ist.

Für Kothes hat nicht nur alles seine Zeit, sondern es braucht auch alles seine Zeit. Um erfolgreich zu sein, sollte man seiner Meinung nicht nur seinem Ratio folgen, sondern auch Bauchentscheidungen fällen. Aber um in einer so verstandesgesteuerten Gesellschaft wie der unseren wieder ein Gefühl für seine Intuition zurückzugewinnen, braucht es Zeit. Somit scheint es gerade im Geschäftsleben wie ein Paradox zu klingen, wenn Kothes in seiner Funktion als Berater gestressten Managern erklärt, dass sie sich einmal Zeit lassen sollen, um Entscheidungen zu fällen. Die meisten Manager antworten ihm auf einen solchen Vorschlag, dass ihnen dies nicht möglich ist. Auch wenn Kothes Führungskräften rät, sich für die Zenpraxis zurückziehen, argumentieren sie, dass sie derart viele Aufgaben haben, die sie sowieso so kaum bewältigen können und für so scheinbar unlukrative Techniken wie Meditationen erst recht keine Zeit haben. Ob man allerdings ein Übermaß an Aufgaben hat, die sowieso nicht in dem vorgegebenen Rahmen erledigt werden können oder ob es nur eine falsche subjektive Wahrnehmung ist, die einem vorgaukelt, überhaupt keine Zeit zu haben, um sich für ein paar Tage zurückziehen, um zu meditieren, bleibt dahin gestellt. Denn meist ist dieses Gefühl, unersetzlich zu sein, relativ. Ist man nämlich einmal bereit, abwarten, statt der Zeit hinterher zu laufen, erkennt man, dass es auch anders geht. Denn erst wenn man sich nicht unter Zeitdruck setzt und versucht losgelöst von der Zeit mit Ruhe und Weitblick zu erkennen, was sich gerade entwickelt und welche Rolle man selbst darin spielt, erkennt man, dass alles, was geschieht, dem Prinzip folgt, sich zu optimieren.

Natürlich kann man einwenden, dass wer sich zu viel Zeit lässt, um Abstand zu wahren und abzuwarten, seine täglichen Aufgaben nicht wahrnehmen kann, nicht lebenstüchtig ist und seine Geschäfte nicht erfolgreich führen kann. Die Praxis beweist laut Kothes das genaue Gegenteil: Wer sich ab und zu unabhängig von der Zeit macht und die Dinge aus der Entfernung betrachtet, wird feststellen, dass er die „vorhandene“ Zeit effektiver nutzt und die Leistungsfähigkeit steigert. Es ist nämlich keineswegs so, dass wir uns durch Abstand aus dem Lauf der Dinge auskoppeln, sondern vielmehr erhalten wir erst dadurch das know-how, um uns richtig in den Fluß der Dinge begeben zu können. Wir verschwenden unsere Zeit nicht mehr dafür, gegen Widerstände anzukämpfen, sondern nutzen sie, indem wir sie kanalisieren und in die richtige Richtung lenken. Das erfordert allerdings, dass wir uns klare Zeitprioritäten setzen und uns an die Zenweisheit halten: Wenn Du keine Zeit hast, dann nimm Dir welche!



     3 weitere goldene Regeln auf dem Weg zur beruflichen Zufriedenheit

  1. Akzeptiere Dich selbst!Den meisten Menschen fällt es schwer, sich selbst zu akzeptieren – besonders wenn es um all die kleinen Schwächen und großen Unzulänglichkeiten geht. Wechselt man aber auf die Ebene eines Unternehmers, so wird schnell offensichtlich, dass ein Unternehmen, dass sich selbst akzeptiert, stolz auf sich ist. Und umgekehrt: Ein Unternehmen, dass nicht stolz auf sich ist, befindet sich auf dem Weg zum Niedergang. Auf den Menschen übertragen bedeutet dies: Nur wer sich selbst liebt und achtet, kann sich positiv weiterentwickeln und erfolgreich sein.
  2. Stärke deine Stärken!Unser Gehirn reagiert überaus bereitwillig und wohlwollen auf positive Signale. Andersherum reagiert es kritisch und abwertend auf Verbote und Gegenanzeigen.
    Auf unsere Stärken bezogen bedeutet dies, dass es uns nichts bringt, wenn wir uns uns ständig kritisieren. Sich selbst positiv zu stimmen, lautet das Geheimnis. Nur wer sich selbst lobt – egal ob für große Taten oder Kleinigkeiten – stärkt auf Dauer seine eigenen Stärken.
  3. Kämpfe nie gegen deine eigenen Schwächen!
    Gegen die eigenen Schwächen oder derer anderer anzugehen ist reine Energieverschwendung. Schwächen zu akzeptieren ist die Kunst. Erst dann lösen sie sich irgendwann von selbst auf und am besten dann, wenn man es einfach gesehen lässt.
           (entnommen dem Buch: Dein Job ist es frei zu sein. Paul Kothes)


Niemals mehr ärgern!

Gegensätze zu vereinen stellte für Paul Kothes, Manager und Zenlehrer schon immer eine große Herausforderung dar. In seinen Büchern und Zen-Sesshins, wie z.B. dem Kurs „Zen für Führungskräfte“ am Benediktushof, versucht er heute, Manager dahin zu bringen, das Leben gelassener zu sehen und sich nie mehr zu ärgern.
Wie würden Sie sich dem Leser vorstellen?

Ich bin dabei, die Verbindung von Arbeitswelt und Spiritualität zu fördern. Ich habe erkannt, dass gerade hier großes Defizit besteht und zwar bei allen Firmen, bei allen Menschen, die im Berufsleben stehen. Das gleiche gilt auch für jeden Menschen – auch im privaten –, aber im Berufsleben wird diese Spannung doch noch viel deutlicher spürbar.


Können Sie bitte in ein paar Sätzen skizzieren, wie Sie zum Zen gekommen sind?

Ich habe mit 19 Jahren einen Yogakurs besucht, habe es dann aber wieder gelassen, allerdings war der Samen gelegt. Mit 28 Jahren habe ich meine Werbeagentur gegründet, die von Anfang an sehr gut lief. Durch eine Krankheit bedingt bin ich dann in eine große Krise geraten und habe gesehen, dass es im Leben auch noch etwas anderes gibt, als das Geschäftsleben. Zum Zen bin ich durch Prof. Michael von Brück, einem Religionswissenschaftler gekommen. Er war in Deutschland einer der ersten, der Zen mit Yoga verbunden hat. Diese Verbindung hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich es als Anfänger als sehr hart empfunden habe. Ich habe meinen Beruf weiterhin ausgeübt, aber die ganze Zeit immer regelmäßig praktiziert. Im Nachhinein weiß ich gar nicht, wie mir dies gelungen ist, aber es hat gut geklappt. (lacht).


Hier schließt meine nächste Frage an: Sie haben ein sehr erfolgreiches Unternehmen geführt und wie alle erfolgreichen Manager hatten Sie wahrscheinlich auch keine Zeit. Woher haben Sie sich die Zeit für Zen dann genommen?

Ich habe sie mir einfach genommen. Somit weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man sich die Zeit nehmen kann! Während der Zen-Tage, die ich leite, habe ich immer wieder viele Gespräche, in denen die Teilnehmer auf mich zukommen und mir sagen, dass sie keine Zeit für Zen oder für Spiritualität haben. Meine Antwort lautet immer, dass es lediglich eine Sache der Prioritäten ist. Objektiv betrachtet hatte ich selbst die Zeit damals auch nicht: Als Chef eines großen Unternehmens, drei Mal pro Jahr eine Woche zu einem Sesshin zu fahren... (lacht). Drüber hinaus hatte ich ja auch noch eine Familie mit Kindern, mit denen ich auch noch Ferien machen musste! Aber es ging!

Aber eine solche Bereitschaft setzt ja auch eine Veränderung im Bewusstsein voraus, oder?

Das ist ja das Interessante an dem Weg! Man beginnt und ist noch voller Selbstzweifel und weiß nicht, ob es überhaupt richtig ist. Aber je weiter man geht, desto mehr Veränderungen treten im Bewusstsein auf. Und desto mehr bekommt man das eigene Puzzle – bestehend aus der eigene Persönlichkeit, dem Beruf etc und der Frage, wie man dies unter einen Hut bekommt – zusammen. Auch wenn es lange Zeit nicht offensichtlich ist, aber irgendwann ist es einfach da.


Was ist mit den Menschen, deren Arbeitsverhältnis von Angst und Mobbbing geprägt ist. Sie haben viel zu große Angst vor Jobverlust, als dass sie sich neben ihrem Jahresurlaub auch noch drei Wochen für Zen-Sesshins gönnen. Wie können gerade Führungskräfte damit umgehen?

Wichtig ist, dass man zuerst einmal die Angst wahrnimmt und sie auch da sein zu lassen und sie nicht wieder wegzudrücken. Denn man kann sich ihr nur stellen – auch dann, wenn man sie eigentlich nicht haben will. Fälschlicherweise aber wird Angst sofort unterdrückt.


Gerade Führungspersonen erscheinen doch stark und gestehen sich oftmals die eigenen Gefühle nicht ein; wie kann man solche Menschen dort abholen, wo sie gerade stehen?

Sie sehen es zum Beispiel hier an dem Kurs „Zen für Führungskräfte“. Während dieses Kurses gibt es viele Entspannungsübungen. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Zenschulen haben wir nicht den Anspruch, den Schüler gewaltsam durch seine Hindernisse zu bringen. Ich selbst habe diese Methoden probiert und glaube, dass so radikale Ansätze nur zu Scheinergebnissen führen. Meines Erachtens gibt das Hirn in einer solchen strengen Situation auf und produziert dann eine solche Erleuchtung, wie der Meister sie gerne hätte. Sie klingt in diesem Moment vielleicht auch ganz real, aber ist nicht von Gehalt. Ich persönlich glaube, dass tiefe Einsichten nur durch den Wechsel von Anspannung und Entspannung möglich sind. Und wenn wir dann wirklich entspannt sind, können wir unsere Angst ansehen und erkennen, dass dahinter viel, viel mehr ist. Etwas, was viel spannender ist und viel bereichernder ist, als die Angst.


Woran erkennt ein Meister, ob es eine Scheinerleuchtung ist oder eine Erfahrung nicht tief genug ist?

(Pause) Ich zögere, eine Antwort hierauf zu geben, denn ich möchte diese Erfahrung nicht schlecht machen. Ich finde es auch gut, eine Erleuchtungserfahrung zu haben, aber ich finde es viel wichtiger, das wir einen Erleuchtungsteppich knüpfen. Viele kleine Erfahrungen sind viel besser, oder oftmals viel tragfähiger, als eine Mega-Erleuchtung. Ob der Meister erkennt, dass es eine Erleuchtungserfahrung ist oder nicht, ist meines Erachtens gar nicht so wichtig. Wichtiger ist meines Erachtens viel mehr, ob die Erfahrung auch tragfähig ist, die jemand gemacht hat oder ob die Erfahrung nur bis zum Ende des Seminars hält oder noch eine Woche länger.


Um eine solche Erfahrung zu machen, egal ob klein oder megagroß, braucht es ja die Bereitschaft, loszulassen. Tut sich nicht der Prototyp Manager schwer, loszulassen?

Ja, natürlich. Aus diesem Grund haben ja auch viele dieser Manager Angst vor mir. Das ist etwas, was ich auch immer wieder sehr genau spüre. Anders gesagt kommt ja auch nur ein bestimmter Typus zu mir, und der bringt in der Regel schon eine gewisse Bereitschaft mit, diese Schwelle zu überschreiten. Andere Manager kommen erst zu mir, wenn sie sich in einer Krise befinden, bzw. wenn ihre Krise sich bereits auf dem Höhepunkt befindet. Ich habe es gerade erst wieder bei einem Geschäftsführer erlebt. Ich konnte seinen Weg und die sich anbahnende Krise mitverfolgen. Aber er kommt erst jetzt, wo es einem schon fast weh tut, mit anzusehen, wie groß sein Dilemma bereits ist.


Ist der Mensch nicht so konzipiert, dass er selbst die Erfahrung machen muß?

Ja und nein. Ich denke, dass wir bis zu einem gewissen Grad so lernen. Aber es geht auch anders. Wie lernt ein Kind eine Sprache? Weil es Spaß daran hat. Wie lerne ich Spiritualität? Oder wie lerne ich die Ganzheitlichkeit? Ich kann durch Druck lernen oder durch eine Krise, weil ich gezwungen dazu werde. Ich kann aber auch lernen, weil ich merke, dass es so viele positive Aspekte sind, die mich weiterbringen. Und ich denke, dass die Zeit dafür reif ist, dass wir all diese positiven Aspekte offen legen können. Wenn ich heute Vorträge halte, im Management über Entspannung rede, dann geht das gut. Vor einigen Jahren war das noch nicht in dem Rahmen möglich. Es geht darum, viel mehr Spaß an dem Weg und an der Entdeckung zu haben.


Zum Thema Spaß: Zen ist per Definition doch sehr rigide, mit seinem strikten Verhaltenskodex und macht nicht sehr viel Spaß....

Genau das ist das Geheimnis. Zen ist im ersten Moment ja sehr spröde, sehr kalt, sehr diszipliniert. Wenn ich es jedoch schaffe, mich darauf einzulassen, entsteht hinter der Disziplin und Kälte eine enorm große Freiheit. Diese scheinbar spröde Struktur ist ja nur der Rahmen, das Gefäß. Es ist wie eine Blumenvase. Und eine Blumenvase hat keine andere Funktion, als das der Blumenstrauß wunderschön aussehen kann. Eine gute Blumenvase, die zu einem wunderschönen Strauß passt, macht doch erst das ganze Bild aus.


Je höher man auf der Erfolgsleiter oben steht, desto einsamer wird man. Das ist zumindest die Erfahrung, von der mir Führungskräfte in sehr bedeutenden Positionen erzählen. Trauen sich dann Manager in wichtigen Positionen überhaupt, mit Ihnen über Ihr Innerstes zu sprechen, über Ihre innersten Ängste zu sprechen?

Ja. Irgendwann muß das Ventil einfach geöffnet werden. Ich erlebe es immer wieder, dass Top-Manager die Gelegenheit in einem Gespräch mit mir im Rahmen eines Zen-Sesshins nutzen, einfach mal von sich selbst zu erzählen, weil sie es sonst nicht konnten.


Wahrscheinlich ist es ja auch von Vorteil, dass Sie selbst eine Führungskraft sind, oder?

Wenn ich mit ihnen persönlich spreche, oder einen Vortrag halte, dann hat es für sie einen praktischeren Bezug zu ihrem Leben. Sie spüren schnell, dass ich weiß, wovon ich rede. Gleichzeitig führt das natürlich auch dazu, dass die Ängste und der Widerstand auftauchen. Vielleicht nicht sofort, aber ich merke es auch hinterher, dass sie dann eine gewisse Ratlosigkeit herrscht.


Sie sind in der deutschen Wirtschaft ja eine bekannte Größe. Haben Manager nicht auch Angst, wenn Sie sich Ihnen gegenüber öffnen, als eine kleine Nummer zu gelten?

Diese Angst vor dieser Erkenntnis ist so internalisiert bei den meisten Managern, dass sie erst im Nachhinein merken, was ihnen da passiert ist, nachdem sie kurz die Kontrolle aufgegeben haben. Erst später wird ihnen bewusst, dass sie in einem solchen Gespräch offen gewesen sind. Das ist ja auch gerade das Geheimnis an einem solchen Gespräch während eines Zen-Sesshins. In einem solchen Rahmen gelingt es den Teilnehmern, die Barriere zu überwinden, und ganz zu sich selbst zu kommen. Hier können sie endlich die ganze Maskerade, die ganze Hierarchie weglassen. Es ist natürlich auch immer wieder ein großer Sprung, weil jeder natürlich auch sein „Gockelverhalten“ hat und zeigen will, wer er ist.


Noch einmal zurück zu einer spirituellen Erfahrung. Wie ist es für einen Manager, wenn er sich immer für den Nabel seiner kleinen Welt gehalten hat und plötzlich merkt, dass er hinter all dem Nichts ist. Wie kann ein Mensch in einer solchen Position diese Erfahrung gut integrieren?

Meines Erachtens gilt hier der Weg der kleinen Schritte. Wenn ein Mensch einmal entdeckt, dass es doch noch etwas anderes gibt, als das System in dem er sich befindet, stehen sie oft ohne eine Alternative da und denken sich: Jetzt steige ich aus, weil ich das in dem System nicht hinkriege. Aber ich glaube, es gibt einen Weg, und das meine ich auch bewiesen zu haben, dass es möglich ist, Arbeit und Spiritualität zu verbinden. Wenn auch in vorsichtigen Versuchen, aber immerhin ist es mir gelungen, diese Aspekte anzunähern. Bei einem solchen Versuch können dann auch die eigenen kreativen Fähigkeiten wieder zur Geltung kommen. Und wenn ich merke, dass meine Fähigkeit zum schöpferischen Tun gestärkt wird, sind das alles Dinge, die mich innerhalb des Systems stabilisieren. Damit ist das System natürlich noch keinesfalls verändert, dass will ich zugeben, aber das habe ich auch aufgegeben. Und glaube, dass ist auch gar nicht unsere Aufgabe, sondern wir gehen unseren Weg. Schritt für Schritt.


Was raten Sie einem Manager, der aus einem solchen Retreat kommt und glaubt, dass das System, in dem er ist, komplett eingefahren ist und es für seine Weiterentwicklung keine Möglichkeit mehr gibt?

Es gibt immer eine Möglichkeit, man muß sich nur dafür öffnen. Es geht nicht um das Entweder-oder-Prinzip, sondern um das sowohl-als-auch, d.h. um die Integration der verschiedenen Aspekte. Es gilt, die Aspekte der konventionellen linearen Welt des Denkens und die Aspekte des Schöpferischen, des Künstlerischen miteinander zu verbinden. Die Firmen, die das zulassen, erkennen, dass es sie letztendlich sogar auf dem Markt erfolgreicher macht. Sie merken, dass es viel besser ist, Produkte nicht einfach durch Druck zu verkaufen, sondern auch mit Spirit zu versehen, was letztlich dann auch lukrativer ist. Einem Produkt ein Spirit zu geben, heißt immer offen zu sein, sozusagen das ganzheitliche System zu nutzen und die Kraft, die dahinter ist, mit einzubeziehen. Umgekehrt ausgedrückt: nur die eigene Power mit einzubeziehen, ist ein bisschen dünn, weshalb auch 9 von 10 Produkteinführungen in die Hose gehen.


Was raten Sie einem Manager, der in einem System arbeitet, in dem man sich machtlos fühlt, ausgenutzt fühlt?

In einem solchen Fall sollte man keine Energie mit Ärger verschwenden, sondern bei sich bleiben, den wer sich ärgert, kann seine Talente nicht entfalten. In einem solchen Fall sollte man tun, was zu tun ist – ganz im Sinne des Zen: Ich tue, das was ich gerade tue. Versucht man hingegen, Recht und Ordnung in ein solches System einzubringen, erreicht man nichts. Hingegen erreicht man etwas, wenn man sich im Sinne einer Haltungsänderung sagt: Ich mache meine Arbeit im besten Sinne, aber wenn ich etwas besseres finde, dann gehe ich. Deshalb sollte man hier mehr bei sich zu bleiben und zu schauen, wo sind meine Stärken, anstatt auf die Schwächen zu schauen und zu sehen, was man nicht bekommen kann. Letzteres frustriert und verhindert auch die andere Seite, nämlich für das gestaltende, das bewegende offen zu sein. All das wird durch den Ärger blockiert. Und deswegen: niemals mehr ärgern!

Dieses Interview habe ich im Jahr 2009 geführt, aber es hat nicht an Aktualität verloren. oder?!

Weitere Infos zu Paul Kothes

Ein umfassendes Seminarangebot von mir findest Du unter: glueckundachtsamkeit.de/glueckundachtsamkeit.de/

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