Sonntag, 28. Januar 2018

Willkommen im Yoga-Selfie-Rausch

Vor einigen Monaten wollte ich eine Auszeit nehmen, die ich mit Yoga verbinde wollte. Hier das passende Angebot zu finden, war gar nicht so leicht. Täglich werde ich auf facebook überflutet mit Angeboten zum Thema Yogaferien. Yoga am Meer, im Meer oder auf dem Surfbrett. Yoga am Berg, auf dem Berg. Yoga einfach oder Yoga exklusiv. Bier-Yoga, Tantra-Yoga, 50+Yoga oder Yoga für Veganer, Spießer oder Sportler. Yoga für faule Säcke oder Yoga für Kriegerinnen.

Eine Freundin nahm mir zum Glück die Entscheidung ab und fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr und ihrer Yogagruppe nach Mallorca zu reisen. Zusammen mit 8 anderen Frauen machte ich mich also auf den Weg! Die Vorfreude war groß und ich sah uns im Geiste schon versunken in tiefe Meditation. Der Erleuchtung nahe.


Beleuchtung statt Erleuchtung

Meine Vorstellungen von der Reise wurden bereits am 1. Tag gnadenlos zerschmettert. Die 7 Frauen wirkten weder interessiert an der Erleuchtung noch daran, die Essenz des Yoga zu erfahren. Diese besteht darin, die Bewegungen des Geistes zur Ruhe zu bringen. Erleichtert wird dies natürlich, wenn wir die Sinne zurückziehen. Diese Frauen aber wollten in erster Linie Ferien machen und dabei ein bisschen Yoga praktizieren. Morgens ein Stündchen und abends ein bisschen. Nicht zu viel, nicht zu anstrengend und bitte nicht zu spirituell. 

Und überhaupt: Statt den Blick nach innen zu richten, waren sie primär damit beschäftigt, sich ins rechte Licht zu Rücken. Ein Selfie in der Baumpose. Ein Selfie mit Tempel im Hintergrund. Eines im neu gekauften Yogaoutfit. Einhundert mit den neu gewonnenen Yogafreundinnen. Und einhundert mit der Yogalehrerin, Arm in Arm, frisch geschminkt, lächelnd. Und nicht zu vergessen noch weitere Hundert Selfies beim Essen, Trinken, liegen, stehen, auf dem Markt, am Strand, im Pool und an der Bar. Aber damit nicht genug: Ein Video von der Yogastunde am Morgen. Ein Video von der Yogastunde am Abend.


Locker bleiben

Vielleicht bin ich ja zu eng in meinem Kopf. Vielleicht sollte ich den ganzen Zirkus mit etwas mehr heiterer Gelassenheit betrachten und die ganze Entwicklung als eine weitere Form des komischen Spiels betrachten. Aber dazu fehlt mir manchmal einfach der Humor und die Distanz zu meinem eigenen inneren Richter, der gerne dasteht und urteilt, was „richtiges“ und was „falsches“ Yoga ist. Vielleicht sollte ich in den Momenten, in denen ich die Nase rümpfe, wenn ich die Ankündigung einer neuer Yoga-Richtung lese, einfach nur einatmen, ausatmen, locker bleiben und mich daran erinnern, dass es der Erleuchtung egal ist, wie wir sie erlangen.

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